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Weihnachtsfreude neu erleben

Eine Geschichte von Birgit Bydlinski nach einer wahren Begebenheit
Ausgabe: 2014/52, Weihnachtsgeschicht, Bydlinski
22.12.2014
- Birgit Bydlinski
© Alexa Bente
Karin! Hallo, Karin!“ Monika winkt und läuft von der anderen Straßenseite her auf Karin zu. „Das ist aber schön, dich so zufällig zu treffen! Hast du Zeit für einen Kaffee?“, fragt sie atemlos. „Wir haben uns ja schon ewig nicht gesehen!“
„Ja! Ich muss nur nachher noch etwas aus der Apotheke holen, aber Zeit für ein bisschen Plaudern hab ich schon!“, antwortet Karin froh. Monika hängt sich bei Karin ein und die beiden gehen in eine Konditorei. Sie setzen sich an den hintersten Ecktisch beim Fenster, um ungestört reden zu können.
„Bei uns war Weihnachten wieder ganz turbulent mit vielen Besuchen von Verwandten und Freunden, immer volles Haus, weißt du, keine Minute Ruhe. Wenigstens hat es mit den Geschenken gepasst, das weiß man ja auch nie vorher, aber wir haben bei den Kindern ins Schwarze getroffen mit den Videospielen und der ganz neuen Konsole. Aber“, unterbricht Monika selbst ihren Redeschwall und sieht ihrer Kollegin direkt ins Gesicht, „was ist denn mit dir los – du strahlst ja wie ein Christbaum!“
„Ja, der war heuer auch besonders hell bei uns. Wir haben erst gestern die Kerzen angezündet.“
„Jetzt noch? Sind die Zweige nicht längst zu dürr, wir haben Mitte Jänner!“, wundert sich Monika.
„Nein, unserer ist ganz frisch aus dem Garten. Wir haben nämlich erst gestern Weihnachten gefeiert!“, antwortet Karin und betont den letzten Satz deutlich.
„Das versteh ich jetzt nicht, warum denn? Oder seid ihr orthodox oder sowas, die feiern ja später, aber ist das nicht auch schon vorbei?“, rätselt Monika vor sich hin.
„Wenn du magst, erzähl ich dir alles von vorn“, lächelt Karin und Monika nickt heftig: „Klar! Fang an, ich bin ganz Ohr!“

Und Karin erzählt: „In der Woche vor Weihnachten hatte Michi ganz plötzlich so starke Bauchschmerzen, dass wir mit ihm ins Spital gefahren sind. Es war sofort klar, dass er eine Blinddarm-Operation braucht. Er ist ja erst sieben, also hab’ ich mich mit aufnehmen lassen und wir hatten ein Mutter-Kind-Zimmer. Nach der Operation ist es ihm weiterhin ziemlich schlecht gegangen und er hat sich einfach nicht erholt. Trotzdem wollte er auf keinen Fall über Weihnachten im Krankenhaus bleiben. Die Schwestern meinten, dass es von Tag zu Tag besser wird und es sich schon ausgehen kann, und sein Arzt hat ihn wirklich am 24. Dezember entlassen. Aber kaum waren wir daheim, hat sich Michis Zustand so verschlechtert, dass uns Martin nach nur zwei Stunden wieder ins Spital zurückgebracht hat.“
„Nein!“, ruft Monika mitfühlend, „ist ja schrecklich!
Haben sie ihn nochmals stationär aufgenommen?“
„Ja, nicht nur das. Sie haben ihn sofort notoperiert“, seufzt Karin. Mit leiser Stimme fährt sie fort: „Es war so furchtbar. Martin und ich waren wie gelähmt und sind miteinander vor der verschlossenen Tür zum Operationssaal gestanden. Mit bangem Herzen, anders kann ich es nicht formulieren. Wir sind Hand in Hand dagestanden und haben es kaum gewagt zu atmen. ‚Jetzt können wir nur warten, hoffen und beten‘, hat Martin geflüstert und mir sind bestimmte Psalmzeilen nicht mehr aus dem Kopf gegangen: ‚Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir: Herr, höre meine Stimme! / Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort. / Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.‘ Diese Zeilen habe ich innerlich immer wiederholt und mich daran festgehalten, obwohl das ‚aus der Tiefe‘ viel eher gestimmt hat als das mit dem ‚Vertrauen‘. Ich hatte einfach solche Angst!“
Karin hat Tränen in den Augen, und Monika wartet still ab, bis sie wieder zu erzählen beginnt: „Nach eineinhalb Stunden kommt eine junge Assistenzärztin erschöpft heraus und sagt, dass alles gut gegangen ist, dass es aber sehr knapp war. Michi hatte einen Darmverschluss. Dann kommt der Oberarzt auf uns zu und sagt: ‚Jetzt ist es überstanden, es wird bergauf gehen.
Frohe Weihnachten!‘ – Dieser schlichte, aber tröstende Wunsch zusammen mit der so sehnsüchtig erwarteten guten Nachricht ist mir direkt ins Herz gegangen. Für mich war das wie die Verkündigung einer doppelten Frohen Botschaft: Michis Rettung – und die der ganzen Welt“, lächelt Karin und breitet die Arme weit aus.
Dann fährt sie fort: „Martin und ich waren vom angespannten Warten und Bangen noch wie in Trance, eigentlich am Ende unsrer Kraft. Wir durften gleich zu Michi in den Aufwachraum. Ganz klein und blass ist er dagelegen und wir haben unsrem Kind über das Gesicht und übers Haar gestrichen und waren unendlich dankbar. Weder die beiden Drainageschläuche noch die lange Bauchnaht konnten uns schrecken, Hauptsache war, unser Sohn hatte es geschafft. In uns war die echte Weihnachtsfreude und ein großes Gefühl von Frieden. – Michis erste Frage nach dem Aufwachen war: ‚Haben wir jetzt Weihnachten versäumt?‘ ‚Nein‘, haben Martin und ich wie aus einem Mund gerufen: ‚Wir feiern natürlich, wenn du nach Hause kommst!‘ Aber tief im Inneren habe ich schon dort, im Aufwachraum, meinen schönsten Heiligen Abend gehabt …“

So war das also heuer bei euch“, sagt Monika langsam. „Und gestern habt ihr ihn nach Hause geholt und gemeinsam Weihnachten gefeiert? Da müsst ihr ja ein ganz wunderbares Fest gehabt haben.“
„Ja. Es war wunderbar. Natürlich gab es auch Geschenke, aber das größte war, dass Michi überlebt hat. Er hat das wohl auch selbst gespürt, denn er hat mir einen so vertrauensvollen Blick zugeworfen, als wir miteinander die Zeile ‚Christus, der Retter ist da‘ gesungen haben. Das helle Erstrahlen vom Christbaum hat sich in Michis Augen gespiegelt.“
„Und ich bin sicher, auch in deinen!“, ruft Monika und umarmt Karin fest. „Das habe ich doch gleich gesehen!“

Dr. Birgit Bydlinski ist Religionspädagogin an der Volksschule und an der AHS sowie Autorin
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