Fardoso aus Somalia wird die Wohngemeinschaft „Ohana“ in Linz schon verlassen haben und noch trauriger sein, wenn dieser Artikel erscheint. Denn am 1. Jänner ist sie 18 Jahre alt geworden. Damit endet die Zuständigkeit von Einrichtungen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, wie jene der WG Ohana.
Am Tag vor Weihnachten erzählt Fardoso, warum sie traurig ist: Sie kam, noch nicht 16-jährig, nach Österreich, floh aus Somalia, wo sie Schlimmes erlebte. In Österreich fand sie als unbegleitete minderjährige Asylsuchende Aufnahme in einer besonders für diese Zielgruppe geführten und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgestatteten Einrichtung. Nach zwei Jahren Schulbesuch machte sie den Hauptschulabschluss und ist in Deutsch schon sattelfest. Jetzt könnte sie zwar weiter in die Schule gehen, müsste sich aber – sie ist ja 18 – den Schulbesuch selber zahlen.
Mohammad aus Afghanistan
Woher Geld und Kraft nehmen? Fardoso fühlt sich einsam und verlassen. „Niemand ist für mich da“, meint sie und schaut mich mit großen traurigen Augen an. Da findet sich ihr WG-Mitbewohner Mohammad Ali aus Afghanistan, der im April 18 wird, in seiner Situation besser zurecht. Er, der seit 16 Monaten in Österreich ist, kann sich auch schon auf Deutsch verständigen und erzählt mit Eifer, welche Kurse er wöchentlich besucht. Er geht auch gerne ins Fitness-Studio, schätzt die Ohana-Lern- und Freizeit-Angebote. Seine Zukunft? – In die Schule gehen, einen positiven Asylbescheid bekommen, einen Beruf lernen, arbeiten, Geld verdienen. Was er wünscht, wünschen sich wohl die meisten der etwa 100.000 jugendlichen Asylsuchenden in Europa.
Zukunft
Fardoso und Mohammad Ali, wie auch die anderen in der Wohngemeinschaft, sind vor Verfolgung und Bedrohung geflohen. Beide haben sich so von ihren Familien und Freunden getrennt und alleine bis Österreich durchgeschlagen. Beide haben bittere Erinnerungen an islamistischen Terror und sich zunächst in Sicherheit gebracht. Jetzt beginnt die andere Sorge: Was wird aus mir werden? Fardoso sieht kaum Perspektiven, Mohammad Ali ist zuversichtlich. „Ich fühle, dass ich in Österreich nicht aufgenommen bin“, sagt Fardoso und benennt ihre Wehmut: „Ich bin traurig, weil ich hier niemanden habe.“ Laut österreichischem Asylrecht ist sie jetzt erwachsen und muss in eine Unterkunft für erwachsene Asylwerberinnen. Aber sie ist noch so unerwachsen!
Weihnachten, Silvester und der Schnee
In der Wohngemeinschaft wurde natürlich auch Weihnachten gefeiert – und Silvester. Fardoso lächelt ein erstes Mal, als sie davon erzählt, wie sehr sie sich auf den Schnee freut. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs war von Schnee noch keine Spur zu sehen, aber wenn sie jetzt aus dem Fenster schaut, wird sich ihr Gesicht wohl ein bisschen aufhellen. Weihnachten kennt sie von ihrer Heimat nicht, Mohammad Ali schon ein bisschen. Silvester aber ist auch in ihrer Herkunftsheimat bekannt, allerdings etwas später und viel leiser, mit viel weniger Rummel. Mohammad Ali wird mit Freunden in den Linzer Silvesterrummel eingetaucht sein. Und Fardoso?