Ausgabe: 1999/07, Todesstrafe, Leben, Rußland, Amerika
23.02.1999
- Matthäus Fellinger
Mit unvorstellbarer Grausamkeit haben die Machthaber der früheren Sowjetunion alles unterdrückt, was dieser Macht gefährlich werden hätte können. Ein Leben zählte nicht viel.Jetzt schafft Rußland die Todesstrafe ab. Bis Juni sollen alle bestehenden Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt werden. Seit 1996 wurden in Rußland keine Todesstrafen mehr vollstreckt. Für die Mitgliedschaft im Europarat war dies als Bedingung ausgehandelt worden.Rußland schafft die Todesstrafe also ab. Und in den Vereinigten Staaten von Amerika steigt die Zahl der vollstreckten Todesstrafen: 1998 wurden 68 Menschen hingerichtet, heuer waren es schon 20. Das sind drei pro Woche!Dort gewöhnt sich die Gesellschaft allmählich an diese Grausamkeit. Doch jedes Todesurteil bricht eine Wunde auf, aus der das Leben blutet.Die Sowjetunion hat sich mit dem Mittel der Todesverachtung nicht an der Macht halten können. Auch eine Zivilgesellschaft könnte langfristig an ihrer eigenen Grausamkeit zerbrechen. Mit der Gewöhnung an die Brutalität der Strafe verliert diese ihren Schrecken. Man nimmt sie fast selbstverständlich in Kauf. Und insgesamt ist die Gesellschaft dann ein gutes Stück roher geworden. Von einer „klaffenden Wunde“ haben österreichische Bischöfe auch im Zusammenhang mit der Abtreibungsthematik gesprochen. In diesem Punkt ist die Dramatik dieselbe. Wo Abtreibung als selbstverständlich hingestellt und damit verharmlost wird, wird dem Leben der Boden entzogen. Man kann nur in Ernst darüber sprechen – und werben für das Leben.