Das Gymnasium Petrinum stellt seit etlichen Jahren im Rahmen des Projektes „Sinn- und Werterziehung“ die religiöse Erziehung auf einen neuen tragfähigen Boden. Dies fließt in den Unterricht ein. Im Vorjahr verlieh die Kirchenzeitung einer Petriner-Klasse für ein aus diesen Wurzeln kommendes Projekt den Solidaritätspreis. Die Klasse setzte sich mit der Ausgrenzung von behinderten und von psychisch kranken Menschen auseinander und wagte Schritte der Entgrenzung. Durch Information und Begegnung – im Wagner-Jauregg-Krankenhaus und im Diakoniewerk Gallneukirchen – wurde das eigene Urteil geformt, Vorurteilen der Boden entzogen. Bei einigen Schülern wuchs daraus das Interesse für einen Zivildienst in ähnlichen Bereichen. Auf der Suche, was ein tragfähiger neuer Boden für die Sinn- und Werterziehung sein könnte, wurde man bei Viktor Frankl fündig: Der Mensch erfährt Sinn, wenn er über sich hinausdenkt und sich für andere engagiert. Prof. Günther Aigner, der im Französisch-Unterricht auch französische Philosophen den Schülern durch Originaltext-Studium näher bringt, verweist auf einen ihm sehr zusagenden Philosophen, Emmanuel Levinas: „Das Antlitz des Anderen wäre der Ansatzpunkt jeglichen Philosophierens“.„Ein heute im Vereinigten Königreich geborenes Kind hat eine zehnmal größere Chance, in eine Nervenklinik eingeliefert zu werden, als an einer Universität aufgenommen zu werden. . .“ – Auf diese von R. D. Laing stammende Anmerkung stießen im Schuljahr 1997/98 die Petriner-Schüler im Unterricht. Der Unterricht wurde zur Begegnung mit Menschen, die in der Psychiatrie arbeiten, und mit behinderten Menschen. Die Kirchenzeitung zeichnete dies mit dem Solidaritätspreis 1998 aus.Zurück zu Laing: Er sieht einen Zusammenhang zwischen unserer Kultur und psychischen Erkrankungen. Denn einerseits erzeuge die Kultur einen großen Teil der Angst, die zu psychisch gestörtem Verhalten führe; andererseits lege sie die Normen dafür fest, was als gesund zu gelten hat. Die Schüler der nunmehr 8. Klasse im Petrinum gehen auf diesen Aspekt ein, als sie ihr Projekt der Kirchenzeitung vorstellen.In einem fächerübergreifenden Unterricht in den Gegenständen Psychologie (Prof. Günther Aigner) und Französisch (Prof. Michaela Lamm) hat sich die 7. Klasse des Petrinums im Schuljahr 1997/98 mit dem „Antlitz des Anderen“ auseinandergesetzt. Schon im Jahr davor hatte die Klasse unter dem Titel „Wegsuche“ im Fach Bildnerischer Erziehung (Prof. Franz Haudum) Begegnungen mit Künstlern, die Klienten von „pro mente“ sind. „pro mente“ ist in der psychiatrischen Nachsorge tätig. Im Jahresbericht 1996/97 zitiert Franz Haudum in der Schilderung dieses Projektes F. Capra („Wendezeit“): „Mystiker und Schizophrene befinden sich im selben Ozean; doch die Mystiker schwimmen, während die Schizophrenen ertrinken.“Gemeinsamschwimmen lernen war damit ein Lernziel. Das ist die wahre Lebensmatura, und sie wurde bestanden. Die Schüler sagen über die Gespräche und das Arbeiten mit behinderten Menschen sowie über die Theoriestunden: „Wir haben etwas dazugelernt!“ Das Schöne ist: Es gibt noch jede Menge anderer Petriner-Projekte. Etwa die Begegnung mit Schülerinnen und Schülern der Allgemeinen Sonderschulklasse sowie der Schwerstbehindertenklasse der Karlhof-Schule.