Ottfried Fischer im Gepsärch über sich selbst, über Kirche und Glaube
Ausgabe: 1999/10, Ottfried Fischer
09.03.1999 - Martin Kranzl-Greinecker
KIZ: Sie sind bekannt und berühmt. Wie lebt sich’s mit der Beliebtheit?Fischer: Das hat Vor- und Nachteile. Solange die Sache läuft, überwiegen die Vorteile. Nachteile gibt es erst, wenn die Berühmtheit wieder vorbei ist und man sich abfinden muß, daß man nichts mehr ist. Aber solange man berühmt ist, ist man der beliebte Freund aller, zumindest wenn die Berühmtheit wie bei mir aufgrund einer sympathischen Rolle entsteht. Bei vielen Sachen wirst du bevorzugt behandelt, bekommst in jedem Restaurant einen Platz. Man gehört einfach dazu, weil man eigentlich zur Familie gehört, nachdem man jeden Abend im Fernseher im Wohnzimmer ist. Es ist also in vielen Fällen ein Leben, das von Vorteilen begleitet wird. Nachteile sind dann zu bemerken, wenn man seine Ruhe haben möchte. Das geht nicht so einfach. Für die Kinder ist es auch nicht immer das reine Honigschlecken. Meine Frau und ich achten darauf, daß die Kinder nicht zu oft fotografiert werden und in irgendwelchen Gazetten auftauchen. Sie sollen relativ normal aufwachsen. Es geht also immer hin und her mit den Vor- und Nachteilen der Berühmtheit. Im Großen und Ganzen aber bin ich sehr froh, daß ich berühmt bin, denn ich hab ja diesen Beruf gewählt, damit ich berühmt werde. Ich seh mich mehr als Volksschauspieler.KIZ: Wollen Sie immer und überall etwas zu sagen haben? Haben Sie einen missionarischen Anspruch?Fischer: Der missionarische Anspruch, um im Kirchenjargon zu sprechen, ist dem Kabarettisten nicht fremd. Ich komme ja vom Kabarett. Der Wunsch, den man als Kabarettist hat, nämlich mit seiner Kunst auch etwas zu erreichen und zu verändern, hat eine Verwandtschaft zum Missionarischen. Ein kritischer Künstler will ja seine Gedanken unter die Leute bringen. Warum würde man es sonst machen?KIZ: Was sind zentrale Inhalte Ihrer Botschaft als Kabarettist?Fischer: Wenn man einen ganz groben politischen Raster nimmt für die Menschen, dann gibt es Linke und Rechte und solche, denen es egal ist. Jeder hat irgendwo seine Polung, zu der er hingehört. Ich bin halt der, der nicht beim SV Bayern ist, sondern eher beim TSV 1860, weil ich der Anwalt der Entrechteten eher sein will, als mit dem Strom der Etablierten und Arrivierten mitzuschwimmen.KIZ: Gehört diese Haltung zur Rolle oder ist das Ihre tiefste Überzeugung?Fischer: Das ist der Ottfried Fischer im Originalton. Ich stehe auf der Seite der Schwachen, zum Beispiel bin ich an der Spitze einer Bewegung für die doppelte Staatsbürgerschaft.Bei aller künstlerischen Betätigung will ich die Menschen im Blick behalten. Diese Geisteshaltung wurde wohl im humanistischen Gymansium grundgelegt.KIZ: Sie wurden in Familie und in Klosterschule gläubig erzogen. Wie stehen Sie zur Kirche?Fischer: Ich bin nachwievor Mitglied der katholischen Kirche, obwohl ich mich nicht als gläubigen Menschen bezeichne. Allerdings weiß ich nicht, was wäre, wenn Not kommt. Das Sprichwort „Not lehrt beten“ ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Kirche ist für mich so etwas wie ein weltanschaulicher Trachtenverein. Und diesen Verein zu verlassen, würde – Glaube hin, Glaube her – heißen, etwas auszureißen, was von klein auf zu mir gehört. Vor einigen Jahren habe ich auf der Osterinsel eine interessante Erfahrung gemacht. Da bin ich in ein Gotteshaus gegangen, in dem eine katholische Messe gefeiert wurde. Obwohl ich nicht polynesisch verstehe, habe ich gewußt „Aha, des is des Vaterunser“, weil ich ja weiß, daß das an dieser Stelle gehört. Das war ein starkes Gefühl von Heimat, das ich nicht vermissen möchte. Würde ich aus der Kirche austreten, dann will ich auch keine Kirche mehr betreten, schon aus Anständigkeit heraus. Ich würde dann die Dienstleistung, mir ein Heimatgefühl zu vermitteln, nicht mehr in Anspruch nehmen. Deshalb bin ich noch immer Mitglied, obwohl sich täglich Gründe anbieten, aus der Kirche auszutreten.KIZ: Kirchlich gesehen, ist jetzt Fastenzeit. Für Sie bedeutsam?Fischer: Die Fastenidee ist ja keine rein katholische Idee, sondern ist in allen Religionen zu finden. Diese Idee hat wirklich im besten Sinne etwas für sich. Ich hab auch schon Fastenkuren gemacht, bei denen ich gespürt habe, daß der Geist anders arbeitet. Da tut sich im Kopf etwas, das ist ein tolles Gefühl. Wenn das Fasten noch nicht erfunden wäre, müßte man es erfinden. KIZ: Das sagt einer, dem man das Fasten nicht ansieht. Wie geht es Ihnen mit Ihrem Körper?Fischer: Meine Beleibtheit ist mein Markenzeichen. Niemand spottet mich aus oder sagt „fette Sau“ zu mir. Aus sozialem Druck müßte ich also nicht abnehmen. Im Gegenteil: Viele sind froh, daß es einen gibt, der zu seinem Körper steht. Sogar schlanke Menschen, die ein Problem mit ihrer schiefen Nase haben, finden eine Identifikationsfigur in mir, weil ich zu meinem Gebrechen stehe. Ich geb’ ja zu, daß ich meine Probleme mit dem Gewicht habe und daß ich weiß, es wäre vernünftig, vierzig Kilo weniger zu haben. Aber ich leide nicht massiv unter meinem Übergewicht. Die schönen und feschen Schauspieler haben übrigens auch nicht ständig das Gefühl, schön und fesch zu sein. Schließlich ist dieser Beruf täglich mit vielen Demütigungen verbunden.