Leitartikel von Ernst Gansinger, Redakteur der Kirchenzeitung
Ausgabe: 1999/29, Haider, faul, Demokratie, Feuer
20.07.1999
- Ernst Gansinger
I n einem Zeitungsgespräch kanzelte Jörg Haider, der nun 100 Tage das Amt des Kärntner Landeshauptmannes innehat, die anderen Landeshauptleute Österreichs ab: Sie seien faul und im übrigen nur aufs Repräsentieren aus.
Aus diesem Stoff der allgemeinen Politikerbeschimpfung ist die Politikverdrossenheit geformt, die sich Volkstribunen geschickt zunutze machen wissen, nach dem Motto: Lasse kein gutes Haar an den Politikern, daß sie versteinern zu korrupten und unfähigen Machtbesessenen. Danach präsentiere dich als Prinz, der die marode Demokratie wachküssen wird.
In keinem Märchen küßt aber jener die Opfer wach, der sie versteinert hat. In der Politik sollte das funktionieren? Auf Dauer kann es nicht gut gehen. Und wer ließe sich auch wirklich wachküssen, wenn der Atem fahl und fad nach immer Wiedergekautem schmeckt.
So ist zu hoffen, daß die handelnden Politiker – und im besonderen Jörg Haider sei daran gemahnt – erst gar nicht als Hexen der Versteinerung durchs Land fegen. Denn es wird immer schwerer werden, die bösen Geister, die gerufen wurden, wieder loszuwerden.
Kritik ist in der Demokratie wichtig, doch die ständige Verunglimpfung der handelnden Persönlichkeiten aus purer Lust am Zank, ist ein Spiel mit dem Feuer. Ein Feuer, für dessen Löschung die Zankenden keine Vorbereitung treffen.
„Wer ließe sich wachküssen, wenn der Atem fahl schmeckt?“