Caritasdirektor Michael Landau fordert entschlossenes Auftreten gegen Fremdenfeindlichkeit
Ausgabe: 1999/45, Landau, Caritas-Direktor, Fremdenfeindlichkeit, Wien
09.11.1999
- Hans Baumgartner
Am 12. November, dem Geburtstag der Republik Österreich, demonstriert vor dem Stephansdom eine breite Koalition von Organisationen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir sprachen zu dem Thema mit Caritasdirektor Michael Landau.
„Angst und Hass wurden geschürt“, sagte Kardinal Schönborn. Wie haben Sie den Anti-Ausländer-Wahlkampf, der in Wien besonders scharf geführt wurde, erlebt?Landau: Es ist bekannt, dass sich die Caritas für sozial Schwache einsetzt – und dazu gehören bei uns besonders auch Flüchtlinge und Ausländer. Weil das manchen nicht gefällt, bekommen wir immer wieder anonyme Droh- und Schmähbriefe. Rund um die Wahlen war das in verstärktem Maß der Fall – kein Wunder bei dieser menschenverachtenden Angstmache vor einer „Überfremdung“, wie sie die FPÖ in Wien betrieben hat. Das war in meinen Augen eine beispiellose Form verbaler Brandstiftung.
Den Anfängen wehren
Ich bin erschüttert über die Saat, die da aufgeht, etwa wenn der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, davon berichtet, dass es seit der Wahl an die 80 physische Übergriffe auf jüdische Mitbürger gegeben hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Österreich mit einem Politiker ernsthaft zusammenarbeiten kann, der sich von solchen Übergriffen nicht mit aller Entschiedenheit distanziert, was Haider bislang nicht getan hat. Da geht es schon auch darum, den Anfängen zu wehren, denn wer heute Ausländer ausgrenzt, wird morgen arbeitslose und obdachlose Menschen diffamieren und übermorgen vielleicht Kinder mit Behinderungen. Wie sehen Sie das immer ungeniertere Auftreten fremdenfeindlicher Agiteure, das bereits rassistische Züge zeigt, etwa wenn alle Afrikaner als Drogendealer verunglimpft werden?
Landau: Nach dem letzten Wahlkampf habe ich die echte Sorge, dass Fremdenfeindlichkeit und das Schüren von Ängsten gegenüber Menschen mit anderer Kultur, Religion oder Hautfarbe wieder salonfähig werden. Gegen diese Entwicklung ist entschlossen Widerstand zu leisten. Das ist auch ein Auftrag an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, hier Schulter an Schulter gegen jede Form einer menschenverachtenden Ausgrenzung aufzutreten. Deshalb halte ich die klaren Worte der Kardinäle König und Schönborn oder des evangelischen Bischofs Sturm für außerordentlich wichtig. Und ich bin froh, dass es im Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit eine breite Koalition katholischer Organisationen ebenso gibt wie eine enge Zusammenarbeit zwischen der evangelischen Diakonie, der Caritas und der Israelitischen Kultusgemeinde.
Gefährliche Spaltpilze
Wo sehen Sie die Gründe für die offenbar wachsende Fremdenfeindlichkeit?
Landau: Da muss man vorsichtig sein, zu rasch eine Antwort zu wissen. Ich möchte daher nur einige Punkte ansprechen: Es gibt Umfragen, die weisen darauf hin, dass es in Österreich ein gewisses Potential an latenter Ausländerfeindlichkeit gibt. Oft sind das irrationale Ängste, die dort am größten sind, wo kaum Ausländer leben. Und es gibt im wachsenden Maß Gruppen, die selber sozial an den Rand gedrängt werden oder das befürchten. Wer nun aus wahltaktischen Gründen diese Ängste schürt und in einer erschreckenden Sündenbockstrategie Menschen gegen Menschen ausspielt, der nährt Feindbilder, die die Gesellschaft zerrütten. Und jenen, die mit dem Slogan „Österreich zuerst“ durch die Lande ziehen, möchte ich entgegenhalten: Wer Österreich liebt, spaltet es nicht.
Eine klare Absage
Was ist zu tun, um das aufgeladene Klima zu entschärfen und das Zusammenleben von In- und Ausländern zu fördern?
Landau: Nicht nur weil es eine Einladung führender Politiker gibt, sondern weil es um die Menschenwürde und um Grundfragen des Zusammenlebens geht, sind die Kirchen aufgefordert, mitzuarbeiten, Fremdenfeindlichkeit abzubauen. In den Pfarrgemeinden gibt es viele Beispiele der Solidarität mit Ausländern. Das ist ein Baustein. Was aber verstärkt geschehen muss, ist, daß wir über den Zaun unserer Pfarren hinaus das Gespräch suchen und fördern, dass wir Räume bieten, wo die Menschen ihre Sorgen und Ängste artikulieren und wo Initiativen für ein besseres Zusammenleben entstehen können.Von einer neuen Regierung erwarte ich mir eine klare Absage an alle Formen der Ausgrenzung und Diffamierung. Ein Zweites wäre ein deutliches Ja zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik, wo wir noch ein gutes Stück entfernt sind. Weiters notwendig ist eine Integrationsoffensive. Ich nenne hier einige Punkte: die Verbesserung der Familienzusammenführung, eine verstärkte Ausbildungsförderung für ausländische Jugendliche, den Zugang zu eigenmittelfreien Wohnungen, um die ungesunde Ghettobildung zu vermeiden, mehr Begleitmaßnahmen zum Abbau von Vorurteilen und sozialen Spannungen in gemischten Wohngebieten, das aktive Wahlrecht für Ausländer in Gemeinden und das passive bei Betriebsrats- und Kammerwahlen. Und schließlich erwarte ich mir eine größere Aufmerksamkeit und gezielte Sorge der Politik für alle sozial Schwachen in unserem Land – für In- und Ausländer.
Dr. Michael Landau ist seit 1995 Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien. Landau trat nach seinem Studium der Biochemie ins Priesterseminar ein. Theologie studierte er in Wien und an der Jesuitenuniversität Gregoriana in Rom.