Zum orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Jänner wurde dem russischen Volk ein besonderes Geschenk unter den Christbaum gelegt: Ein neuer Präsident. Während sich am letzten Tag des letzten Jahres die halbe Welt im Sinnestaumel rund um den sogenannten Jahrtausendwechsel befand, verkündete Boris Jelzin relativ überraschend seinen Rücktritt als russischer Präsident. Mit den Amtsgeschäften betraute er Wladimir Putin, den Mann, den er wohl gerne als Nachfolger sehen würde.
Nun sitzt in Moskau einer an den Hebeln der Macht, der sich einst als Chef des berüchtigten Geheimdienstes KGB hochgedient hat. Einer, der sich sofort nach der Übernahme der Präsidentengeschäfte im fernen Tschetschenien dabei filmen lässt, wie er russische Kämpfer mit Orden auszeichnet. Ausgezeichnete Aussichten also, die jede Illusion nehmen.
Tschetschenien und kein Ende in Sicht. Russische Truppen kommen nicht wirklich gegen Separatisten an. Wie immer sind die Leidtragenden Zivilisten, die sich seit Wochen in Kellern versteckt halten und ums nackte Überleben zittern. „Mit abtrünnigen Terroristen wird nicht verhandelt, ihnen wird der Garaus gemacht“ lautet Moskaus Devise. Auch Wladimir Putin ist ein klarer Hardliner. – Hat Europa in den letzten zehn Jahren nicht genug Blut gesehen? Zieht niemand eine Lehre aus den Geschehnissen in Ex-Jugoslawien? Nationalismus ist kein Rezept gegen Autonomie, Gewalt keines gegen Demokratie. Gebe Gott, dass Tschetschenien nicht mit Niedermetzeln, sondern durch Verhandlung zur Ruhe kommt. Das wäre eine positive Visitkarte, die Herr Putin abgeben könnte.
„Putin zeichnet russische Tschetschenien-Kämpfer aus. Ausgezeichnete Aussichten also.“