Die Ehe eines befreundeten Paares ging – für uns und andere nahe Bekannte – überraschend auseinander. Die Frage beschäftigte uns: Warum ist es so weit gekommen? In langen Gesprächen am Küchentisch hörten wir ihre Version und ein ander Mal seine Sicht des Scheiterns. Dabei wurde auch mit Schuldzuweisungen an den Partner nicht gespart. Und wir mussten eingestehen, dass wir nicht gemerkt hatten oder nicht merken wollten, dass die Ehe unserer Freunde schon seit einiger Zeit abbröckelte und auseinander driftete. Die Frage, ob wir was dagegen hätten tun können, blieb unbeantwortet.
Diese Erfahrung ging mir wiederholt durch den Kopf, als in der Nacht des Donnerstages letzter Woche klar wurde, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ gescheitert waren. Die erste Reaktion war: da haben zwei sehr hoch gespielt und dabei jeweils den anderen Partner überfordert, da war in beiden Lagern der Gruppenegoismus größer als der Sinn für das Gemeinwohl. Allmählich aber wurde deutlich: die Überforderungen, Zumutungen und Fehltritte der Vergangen- heit hatten diese politische Partnerschaft ausgehöhlt. Auf beiden Seiten war das Vertrauen geschwunden, dass eine neue Koalition die unweigerlich auftretenden Konflikte würde lösen können. Deshalb wollte die ÖVP bereits im „Ehevertrag“ alle potentiellen Konfliktherde beseitigen. Eine Illusion, wie jedes Paar weiß. Ohne ein Mindestmaß an Grundvertrauen und ohne gute Dialog- und Konfliktkultur ist auch eine politische Partnerschaft unmöglich. Das hätte man rechtzeitig erkennen müssen.
„Ohne Grundvertrauen gibt es auch in der Politik keine Partnerschaft.“