Ausgabe: 2000/06, Schüssel, Kanzler, Politik, Sallinger, ÖVP, FPÖ, SPÖ, profil
08.02.2000
- Ernst Gansinger
Wolfgang Schüssel ist Kanzler. Sein Ziel ist erreicht. Wirklich?
„Dies ist ja die größte Gefahr für den so innig nach dem Kanzlerjob strebenden ÖVP-Obmann: Anders als er ist Jörg Haider in seinen Handlungen völlig frei. Ihn können keine Bünde oder Gewerkschaften unter Druck setzen, er muss nicht auf Kammern, Lobbys oder Länderfürsten Rücksicht nehmen . . .“
So schrieb Herbert Lackner im „profil“ wenige Tage bevor Wolfgang Schüssel (54) Kanzler einer FPÖ-ÖVP-Regierung wurde. Damals war die Dramatik der Auslands-Reaktionen noch nicht in vollem Umfang erkennbar. Sonst hätte Lackner wohl schreiben müssen: Die noch größere Gefahr für Schüssel ist, dass er einen zu hohen Preis dafür zahlen wird müssen, Kanzler sein zu können. Was trieb den über jeden „rechten“ Verdacht erhabenen Wolfgang Schüssel in dieses „Abenteuer“? Ist es Machtgeilheit, wie viele Landsleute schimpfen, nachzulesen auch auf der ÖVP-Homepage. Oder ging seine Spielernatur, von der manche Kommentatoren schreiben, mit ihm durch – und hat er dabei vielleicht gar das Land verspielt? Oder handelt er aus Verantwortung gegenüber Österreich, wie er es darstellt: „Österreich braucht frischen Wind.“
Schüssel ist nicht einfach gestrickt: Er kommt aus der „progressiven“ Katholischen Hochschulgemeinde und verdiente sich seine politischen Sporen im Wirtschaftsbund als „Ziehsohn“ des konservativen Rudolf Sallinger. Er ist kunstsinnig (illustrierte sogar ein Kinderbuch), wird aber auch als besonders ehrgeizig und arbeitsam beschrieben. Musikalisch durchaus begleitend (Klavier, Gitarre) ist er politisch nicht nur Teamspieler, sondern auch Einzelkämpfer. Zielstrebig ist er auf jeden Fall, und damit auch anfällig zu irren: „Es irrt der Mensch, solang er strebt“ (Faust 1).
„Niemand brauchtsich vor dieser Regierung zu fürchten. Dafür garantiere ich.“Wolfgang Schüssel