Als „Not am Mann“ war, hat der Eisenarbeiter Reinhold Grausam die Leitung der Christlichen Betriebsgemeinde Voest übernommen – für ein Jahr.
Seit 19 Jahren arbeite ich im Kaltwalzwerk der Voest-Alpine Linz. Obwohl ich gelernter Koch bin, ist mir die Schichtarbeit und das Werken mit Eisen, Stahl und Blech zur Routine geworden. So tauchte ab und zu der Gedanke an eine berufliche Veränderung auf. Doch was soll´s, dachte ich mir, jetzt bist schon so lange hier, es zahlt sich nicht mehr aus, was Neues anzufangen. Plötzlich hat sich eine Gelegenheit ergeben, doch noch etwas Reizvolles zu wagen. In der Christlichen Betriebsgemeinde der Voest, wo ich bereits seit vier Jahren ehrenamtlicher Gemeindeleiter war, gab es schlagartig Personalmangel im Bereich der Hauptamtlichen. Pfarrer Hans Wührer übernahm die Pfarre in Reichenau, Johanna Hanner, unsere Wirtschafterin, ging in die wohlverdiente Pension und Maria Merzinger, die für Frauenarbeit in der Betriebsseelsorge zuständig war, erwartete ein Kind. Sie ging somit in Karenz. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Ich wurde gefragt, ob ich die Leitung der Christlichen Betriebsgemeinde der Voest (kurz CBV genannt) für zehn Monate übernehmen möchte. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, um zuzustimmen.
Plötzlich ging es um Menschen, nicht um Blech
Für mich tat sich völlig Neues auf. Zuerst ganz normaler Arbeiter und Befehlsempfänger, dann plötzlich Leiter eines Betriebsseelsorge-Zentrums. Der Wechsel könnte krasser nicht sein: vom Umgang mit totem Blech hin zur Leitung und Begleitung von Menschen. Die ersten Gehversuche in dieser neuen Aufgabe waren voller neuer Herausforderungen. Zunächst galt es auf der Klausur des Betriebsgemeinderates gute Weichen für den Neustart zu legen. Dabei erfuhr ich die große Bereitschaft vieler Menschen in der Gemeinde, sich vielfältig zu engagieren. Für die regelmäßigen Gottesdienste und die Vorbereitungen für das größte Fest mit der Voest fanden sich viele helfende Hände. Mir wurde in diesem Jahr bewusst, wie man Gemeinde richtig leben kann. Heute kann ich auf zahlreiche gelungene Feste und Veranstaltungen zurückblicken, und nicht ganz ohne Stolz kann ich sagen: es war ein gutes erfahrungsreiches Jahr. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: „Guat is gaunga, vü is g’schegn.“
Kommentar:
Im rechten Augenblick
Es gibt eine Geschichte bei Adalbert Stifter. Ein alter Pfarrer bewohnt einen Hof in den Bergen, aus einem dunklen Grund „versetzt“. Karg und ohne Höhepunkte verläuft sein Leben. In einer Nacht schwemmt das Schmelzwasser die Brücke weg, über die Kinder den Weg zur Dorfschule nehmen. Im Hochwasser erkennen sie die Gefahr der Untiefe nicht, die Arbeiter tags zuvor hinterlassen haben. Als die Kinder an diesem Tag vorbeikommen, ist der Pfarrer zur Stelle, hebt eines nach dem anderen über die Untiefe hinweg. Im entscheidenden Moment war er zur Stelle. Sein jahrelanger unscheinbarer Dienst hat sich gelohnt. Wachsamkeit zugunsten des Nächsten, da zu sein, wenn sonst keiner da ist. Das gehört zur Berufung dazu.
Konkret:
Wo bekommt man Auskunft?
Im Laufe der Reihe haben Leser/innen nach „Kontaktadressen“ zum Thema Berufung gefragt. Hier noch einmal wichtige Kontakte:
Für Priester- und Ordensberufe: Linzer Priesterseminar, Harrachstraße 7, 4020 Linz, Tel. 07 32/76 10-77 12 05-0 Canisiuswerk, Stephansplatz 6, 1010 Wien
Wer sich grundsätzlich über mögliche kirchliche Berufe informieren möchte, findet eine erste Anlaufstelle im: Referat Spiritualität, Tel. 07 32/76 10-31 61
Junge Erwachsene ab 18 finden im Haus Manresa der Jesuiten in Linz Begleitung.Tel. 07 32/77 08 66-0