Bei einem Kulturereignis hat Bundespräsident Dr. Thomas Klestil zu einem Zentralthema der gegenwärtigen Politik Stellung genommen. Bei der Eröffnung des Brucknerfestes unterstrich er die Wichtigkeit freier Gewerkschaften. In der Tat: Wo die Daseinsberechtigung der Gewerkschaften in Zweifel gezogen wird, geht Kultur verloren. Und auch wenn es im Nachhinein wieder abgeschwächt wurde, so wurde in den letzten Wochen kräftig am Standbein nicht nur einzelner Gewerkschafter, sondern der Gewerkschaften selbst gesägt. Die dumme Gagenaffäre der Post-Gewerkschafter hat das Ihre dazu beigetragen.
Wer kann Freude daran haben, wenn eine Organisation wegen Fehlverhaltens von Funktionären ins Strudeln gerät? In erster Linie wohl jene, denen Mitbestimmung von unten kein Anliegen ist. Unternehmerisches Wagnis braucht die Mitgestaltung von unten – schließlich hat die ganze Gesellschaft den Preis dafür zu bezahlen, wenn eine Sache schief geht. Im Zeitalter weltweiten Wirtschaftens ist es für Mitbestimmung von unten ohnehin schon schwer genug.
Anstatt der Mitbestimmung ein Konjunkturtief anzusagen, wäre ein gemeinsames Nachdenken, wie die Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten und ausgebaut werden könnten, notwendig. Es ist in der Tat eine Frage der Kultur. Auf welche Ziele hin entwickelt sich die Weltwirtschaft? Wie verändert das das Zusammenleben der Menschen? Es geht um Fragen mit Gehalt und keineswegs nur um Gehaltsfragen.