Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer: Kirche muss sich zu Wort melden, gelegen oder ungelegen
Zum Abschluss der vierteiligen Gesprächsreihe mit Politikern baten wir Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, unsere Fragen zu beantworten.
KIZ: Können Sie mit drei Top-Schlagwörtern die wichtigsten Inhalte der ÖVP skizzieren?
Pühringer: Die ÖVP macht in Oberösterreich eine Politik nach drei Grundprinzipien: Oberösterreich muss ein Land der Arbeit sein, denn Arbeit für wirklich alle ist Grundvoraussetzung, damit sich Menschen wohl und in ihrer Würde akzeptiert fühlen. Oberösterreich muss ein Land der sozialen Wärme sein. Der Wert einer Gesellschaft misst sich vor allem daran, wie sie mit den Schwächeren umgeht. Und, drittens, Oberösterreich muss ein Land der Kultur, der Bildung, ein Land der geistigen Weite sein und darf nie ein Land der Enge und damit auch der Intoleranz werden.
KIZ: Jetzt hat der Linzer Gemeinderat gegen den nächsten ins Auge gefassten Standort für das neue Musiktheater, nämlich am Urfahraner Jahrmarktgelände, gestimmt. Wie steht es da um das Kulturland Oberösterreich?
Pühringer: Ich bedauere diese Entscheidung natürlich, weil damit ein sehr guter Standort noch schwerer durchsetzbar wird. Es führt aber kein Weg vorbei, eine vernünftige Theaterzukunft für Oberösterreich zu gestalten. Denn die Kultur ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Landes Oberösterreich, nicht nur des sogenannten geistigen Landes Oberösterreich, sondern auch in Hinblick auf die Standort- und die Wirtschaftsqualität des Landes. Die Entscheidung im Linzer Gemeinderat vom 20. September bedauere ich, weil sich auch der Verein der Freunde des Musiktheaters große Verdienste erworben hat, für die ich mich bedanke. Aber für mich ist damit die Sache nicht erledigt.
KIZ: Was kommt als Nächstes?
Pühringer: Als Nächstes kommt die mühsame Suche nach dem größten gemeinsamen Nenner aller politischen Kräfte in diesem Land in dieser Sache.
KIZ: Gibt es einen Zeithorizont, wann die Musiktheater-Sache entschieden sein wird?
Pühringer: Das hängt sicher nicht von mir und der ÖVP ab. Wir wären jeden Tag zur Entscheidung bereit. Ich möchte zumindest einen Grundsatzbeschluss bis Jahres-ende. Der wiederum hat aber nur wirklich eine Bedeutung, wenn damit auch ein möglicher Standort zumindest verbunden ist.
KIZ: Warum könnte Ihrer Meinung nach die ÖVP für Christen attraktiv sein?
Pühringer: Erstens, weil wir uns zum christlichen Welt- und Menschenbild bekennen und wissen, dass es die Vollkommenheit auf Erden nicht gibt, dass es aber unser Auftrag ist, dafür zu arbeiten, dass es möglichst alle Menschen möglichst gut haben. Daher ist der Erstauftrag der Politik immer, da zu sein für jene, die es im Leben schwerer haben. Zum Zweiten, weil wir uns als Christdemokraten für eine realistische und auch machbare Sozialpolitik einsetzen. Das heißt: Keine Sozialpolitik auf Pump, kein Sozialstaat auf Pump, denn der schlägt sehr schnell zurück ins Gesicht der Betroffenen. Oberösterreich hat eine ordentliche Finanzpolitik in der Vergangenheit gemacht, daher können wir auch heute das Land sein, das bei allen Sozialleistungen an der Spitze der Bundesländer liegt. Wir haben die höchste Sozialhilfe. Wir haben die höchste Familienhilfe. Wir haben die besten Einzel-Beihilfen in den verschiedenen Bereichen. Das können wir uns leisten, weil wir dafür das wirtschaftliche und finanzielle Fundament gesichert haben. Würden wir heute ein hoch verschuldetes Land sein, müssten wir so wie andere Länder in diesen Bereichen Kürzungen vornehmen.
KIZ: Ist es eine allgemeine Sprachregelung in der ÖVP, sich als Christdemokraten zu bezeichnen? Oder gibt es Leute, die in der ÖVP mitarbeiten und sich eher als Liberale verstehen?
Pühringer: Die christdemokratische Ausrichtung ist in unserem Grundsatzprogramm verankert; auch das christliche Welt- und Menschenbild expressis verbis. Aber das Leben dieser Grundsätze schließt nicht aus, dass wir auch für Liberale wählbar sind. Was bei uns nicht Platz findet ist Linksliberalität und Liberalität im Sinne von Wertlosigkeit oder Wertelosigkeit.
KIZ: Es gibt eine Reihe politischer Fragen, die die Kirche und Christen besonders bewegen. Zum Beispiel die Ladenschlusszeiten, der Lebensschutz, das Nord-Süd-Verhältnis, Gerechtigkeit, Solidarität. Wo sehen Sie hier die stärksten Anknüpfungspunkte für die ÖVP?
Pühringer Erstens in der Entwicklungspolitik des Landes Oberösterreich. Wir haben die Mittel in der letzten Zeit mehrmals verdoppelt und stehen dazu, dass wir auch für diese Länder eine Mitverantwortung haben. Zweitens: Bei den Ladenöffnungszeiten bin ich gegen totale Liberalisierung. Der Sonntag ist für mich sowieso nicht anfechtbar, aber auch bei den Ausweitungen am Samstag und in den Abendstunden ist höchste Vorsicht geboten. Ich denke an die Mitarbeiter in den Betrieben, ich denke aber auch an die Betriebsinhaber kleiner Betriebe, die selbst drinnen stehen ...
KIZ: Denken Sie auch an die Politiker?
Pühringer: Wer Politiker wird, weiß, dass er dann da sein muss, wenn die Menschen Zeit haben. Das ist wie bei den Geistlichen. Die Politik muss menschen- und bürgernah sein. Und Bürgernähe kannst du nur pflegen, wenn der Bürger ansprechbar ist. Wenn er mit den Anfahrzeiten 40 oder 50 Stunden im Arbeitsprozess steht, ist er zu diesen Zeiten nicht ansprechbar. Daher verlagert sich die Religionsausübung, die politische Ausübung usw. natürlich in die Freizeit.Ich sehe keinen Bedarf bei den Bürgern zu erweiterten Ladenöffnungszeiten. Kein Mensch will um zehn Uhr am Abend einkaufen gehen, vor allem ist es nicht notwendig. Ein dritter Punkt, den Sie angesprochen haben, ist der Schutz des Lebens. Da rennen Sie bei mir offene Türen ein, wenngleich ich nicht glaube, dass Strafen die richtige Methode ist. Ich meine vielmehr, dass es unserer Wohlstandgesellschaft gelingen muss, ein Klima, eine Atmosphäre und auch ein soziales Netz in der Form zu schaffen, dass niemand aus Verzweiflung werdendes Leben abtreiben muss. Da sind nicht nur die Betroffenen gefordert, es geht auch um entsprechende Rahmenbedingungen.
KIZ: Beim Thema Schutz des Lebens geht es u. a. auch um das Ende des Lebens. Hier gibt es eine aufflammende Diskussion um die Sterbehilfe?
Pühringer: Sterbehilfe kommt für mich nicht in Frage. Das ist mit dem christlichen Menschenbild absolut unvereinbar. Unsere Devise kann nur heißen: Hilfe beim Sterben, aber nicht Hilfe zum Sterben. Ich bin selbst Mitglied des Kuratoriums der Hospizbewegung. Ich glaube, dass dieser Weg der ist, der der Würde des Menschen gerecht wird. Anfang und Ende des Lebens liegt in der Hand des Schöpfers und nicht in der Hand des Menschen.Das sind einige plastische Beispiele von Anknüpfungspunkten ...
KIZ: Wie bewerten Sie das Engagement der Kirche in politischen Fragen?
Pühringer:. Die Kirche hat in der heutigen pluralistischen Gesellschaft eine ganz wichtige Rolle, nämlich das Gewissen unserer Zeit zu sein. Die Kirche soll so etwas sein wie ein Seismograph, der rechtzeitig sagt, es geht in die richtige oder falsche Richtung. Die Kirche muss auftreten, sei es gelegen oder ungelegen. Ich schätze das Engagement der Kirche sehr und möchte insbesondere darauf verweisen, dass die Kirche heute im sozialen Bereich, im Bereich der Bildung und überhaupt im Geben von Orientierung für Menschen neben vielen anderen Bereichen – Jugend, Schule usw. – Unverzichtbares für die Gesellschaft leistet.
KIZ: Jetzt hat sich die Kirche, etwa die Caritas, aber auch andere Bereiche, zur Sozialpolitik relativ massiv zu Wort gemeldet und dafür auch Kritik eingesteckt. Die kam ja auch bei der Amtsübergabe der Leitung der Diözesancaritas von Prälat Mayr auf Direktor Mühlberger, an der Sie und Landesrat Ackerl teilnahmen, zur Sprache. Wie stehen Sie zu der massiven Stimme, die Teile der Kirche jetzt in der Tagespolitik erheben?
Pühringer: Die Kirche muss diese Stimme erheben. Sie muss bei dieser Kritik aber natürlich auch fair bleiben. Ich würde mir in der gegenwärtigen Situation neben aller legitimen Kritik auch einmal zwei zusätzliche Wortmeldungen erwarten. Erstens ein klares Bekenntnis zum Kindergeld, dem familienpolitischen Meilenstein, den noch keine Regierung in der Zweiten Republik in der Form zu Stande gebracht hat; vergleichbar etwa noch mit der Einführung der Kinderbeihilfe und des Karenzgeldes. Wenn sich eine Regierung bei der Finanzsituation über so ein Monsterprojekt drübertraut, dann bekundet sie, dass bei ihr die soziale Frage und insbesondere die Bedeutung der Familie einen ganz hohen Stellenwert hat. Und das Zweite: Ich würde es sehr begrüßen, wenn es jemand auch laut sagen würde – leise tun es mir gegenüber sehr viele –, dass es höchste Zeit ist, dass der Sozialstaat Österreich schaut, dass es wieder einen finanziellen und wirtschaftlichen Unterbau gibt. Denn alle wissen es, die einen Hausverstand haben, dass der Sozialstaat auf Pump nicht auf Dauer funktionieren kann. Das würde unweigerlich in ein finanzielles Chaos führen. Und ein finanzielles Chaos haben in der Geschichte, nicht nur Österreichs, sondern auch anderer Länder, immer die Schwächeren ausbaden müssen. Ja, ich meine sogar, es ist unverantwortlich, beim Sozialstaat auf Pump zu bauen. Ich würde mich freuen, wenn das auch von kirchlicher Seite einmal jemand etwas deutlicher sagen würde.
KIZ: Was das Kindergeld betrifft, habe ich den Eindruck, dass das die Kirche deutlich begrüßt und auch gesagt hat. Was die Budgetmaßnahmen betrifft, sind die Stimmen zurückhaltender. Haben Sie beim Kindergeld tatsächlich den Eindruck, dass aus der Kirche zu wenig laute Zustimmung kam?
Pühringer: Nachdem man immer wieder gesagt hat „Ja“ und dazu dann „Aber“ und übers Aber mehr geredet hat wie übers Ja, ist, glaube ich, der öffentliche Eindruck nicht in dem Ausmaß entstanden, wie es diese große Lösung verdient hätte.
KIZ: Welche Themen sehen Sie für die politische Zukunft, die vielleicht derzeit noch wenig oder kaum beachtet werden?
Pühringer: Da gibt es natürlich sehr viele Themen. Wir sehen als besondere Herausforderung für die unmittelbar nächste Zeit die Bildungsoffensive in Oberösterreich. Neue Technologie, neue Berufe, die Informationsgesellschaft und vor allem die mit atemberaubender Geschwindigkeit voranschreitende Veralterung des Wissens verlangen einfach, dass wir im Bildungsbereich noch stärker ansetzen. Wir werden das auch in der allernächsten Zeit tun.Ich glaube, um ein paar weitere Beispiele zu nennen, dass die Biotechnik eine der ganz großen Herausforderungen werden wird, wo die Ethik sehr stark gefordert sein wird. Wo sind die Grenzen, wie weit dürfen wir? Ich bin überzeugt, dass – jetzt weggehend von der Landespolitik, in der internationalen und nationalen Politik – nach den schrecklichen und bestialischen Anschlägen in Amerika die Sicherheitsfragen eine ganz neue Dimension in der politischen Diskussion erfahren wird. Auch dabei wird es nicht ohne Ethik gehen.
KIZ: Die Bildung hat vorige Woche im Kirchenzeitungsinterview auch Landeshauptmann-Stellvertreter Dipl.-Ing. Haider als eine ganz wichtige Herausforderung für die Zukunft genannt. Und hat für die SPÖ reklamiert, dass seine Partei auf Landesebene der Motor in dieser Frage ist.
Pühringer: Ich nehme zur Kenntnis, dass sich jede Partei für jedes Thema als Motor bezeichnet. Ich kann nur sagen, dass das Bildungsressort seit 1945 bis zum heutigen Tag von Vertretern der ÖVP erfolgreich geführt wurde und weiter geführt wird und wir in Oberösterreich eine Bildungs-Infrastruktur haben, um die uns andere Länder beneiden. Ich kenne den Kritikpunkt von Haider, das ist das Schulgeld bei den Privatschulen. Nur das brauche ich in einem kirchlichen Medium nicht erklären, denn die Kirche hat selber tausende Privatschüler in ihren Einrichtungen. Ich bin dafür sehr dankbar, weil diese Schulen zu den Eliteschulen des Landes zählen.
KIZ: Die ÖVP, darauf weisen Sie hin, ist in diesem Land für die Bildungspo