Das Entstehen und Aufbrechen der ersten christlichen Gemeinden vor bald 2000 Jahren ist beeindruckend. Aber können diese Aufbruchserzählungen heutiges Gemeindeleben inspirieren? - Aus der Serie "Wer nicht wagt ... Biblische Aufbruchserzählungen", Teil 2 von 5.
Ausgabe: 2016/02, Überforderung, Zellinger,
12.01.2016
Schauen wir zum Beispiel in das Syrien vor 2000 Jahren, in die junge christliche Gemeinde von Antiochia, die aus einer Flucht entstand: Ausgelöst durch die Steinigung des Stephanus (33 n. Chr.) kamen die Christ/innen von Jerusalem in Bedrängnis. Etliche mussten ihre Stadt verlassen, sie flohen in Städte des damaligen „Westens“, so auch nach Antiochia (vgl. Apg 11,19), die drittgrößte Stadt der römischen Welt. Flucht und Flüchtlinge sind auch heute in vielen Pfarren ein Thema. Und da bieten Leute ihre Mithilfe an, die sonst pfarrlich kaum in Erscheinung treten. Viele erleben es als Bereicherung, Flüchtlinge aufgenommen zu haben und von ihrem Schicksal hautnah zu erfahren.
Kulturen durchmischen sich
In der Apostelgeschichte ist die Rede, dass ursprünglich nur den Gläubigen in Antiochia (gemeint sind die traditionell religiösen Juden) das „Wort“ erschlossen wurde. Einige nahmen sich aber die Freiheit, auch denen einen Zugang zu Jesus Christus zu eröffnen, die nicht die übliche Glaubensgrundlage besaßen. Es wuchs ein wunderbares Miteinander und die Stadtbevölkerung beobachtete dies mit Hochachtung. Man gab diesen Hausrunden sogar einen Ehrennamen: „In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen (das heißt: Gesalbte).“ (Apg 11,26) Von Salböl geht ein Duft aus, so war es auch bei den Christengruppen: Sie verbreiteten eine besondere Atmosphäre.
Sammlung für Hunger
Unter Kaiser Claudius brach dann eine Hungersnot aus (Apg 11,28). Die Not verschärfte sich im jüdischen Kernland besonders, weil es sich im Jahr 40/41 um ein Sabbatjahr handelte, in dem nach dem Gesetz des Mose nicht gesät werden durfte: Nach sechs Jahren Bebauung wurde das Land – in Analogie zum Sabbat als Ruhetag – ein Jahr brachliegen gelassen. Man beriet darüber in Antiochia und entschied sich für eine finanzielle Hilfe der Glaubensgeschwister in Jerusalem. Jeder sollte nach seinem Vermögen etwas zur Unterstützung senden (vgl. Apg 11,29). Paulus und Barnabas wurde die Überbringung anvertraut. In solch einer Gemeinde spürt man den Geist deutlich. Gerade dort konnte er sich auch zu Wort melden, wenn sie Gottesdienst feiernd beisammen waren.
Gottesdienst mit Geist
Die Liturgie scheint nicht von einem Verantwortlichen allein vorbereitet und geleitet worden zu sein, denn es ist von fünf namentlich Genannten die Rede, die sich als „Propheten und Lehrer“ (Apg 13,1) auszeichneten. Nicht Organisatoren standen der Gemeinde vor, sondern spirituelle Persönlichkeiten. Ihre Stärke war, Worte des Trostes, der Ermutigung und der Wegweisung weiterzugeben; ergänzend dazu, ihr Glaubenswissen in Schulungen zu vermitteln. Da bediente sich der Geist der Stimme des einen oder des anderen.
Das Maß
Aufbruchgedanken wurden ausgesprochen und in die Tat umgesetzt: „Wählt mir Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe.“ (Apg 13,2) Darin klingt ein Prinzip an: Nicht der ganze Fahrplan wird vorgegeben, sondern der erste Schritt. Nach und nach folgen weitere Herausforderungen. Auch heute dürfen Gemeinden auf das Wort des Aufbruchs horchen, sie brauchen keine Angst vor Überforderung zu haben. Der Geist selbst gibt das Schrittmaß vor.