Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johannes XIII. das II. Vatikanische Konzil. Entgegen vieler ängstlicher Stimmen wollte er damit auch den Dialog mit den anderen Kirchen, Religionen und der Welt öffnen. Dazu schreibt Weihbischof Helmut Krätzl im zweiten Teil seines Beitrages.
Das Konzil hat die Stellung der römisch-katholischen Kirche zu anderen Kirchen, Religionen, zur Welt deutlich verrückt. Viele vorangegangene Konzilien haben die katholische Kirche „nach außen“ verteidigt und auch durch Verurteilungen abgegrenzt. Das II. Vatikanum will die Kirche „nach außen“ zum Dialog öffnen. Zu anderen christlichen Kirchen: Die Kirche Jesu Christi ist nicht völlig deckungsgleich mit der katholischen Kirche, sie ist in ihr „verwirklicht“, wie das Konzil nun sagt. Das ermöglichte u. a. folgende Aussagen im Ökumenismusdekret: Auch außerhalb der katholischen Kirche gibt es „kirchenschaffende Elemente“. Liturgische Handlungen zeugen auch in anderen christlichen Kirchen „tatsächlich das Leben der Gnade“ und müssen „als geeignete Mittel für den Zutritt zur Gemeinschaft des Heiles angesehen werden.“ Neben dem Trennenden wird mit Freude entdeckt, was aus dem gemeinsamen Erbe bei anderen in besonderer Weise bewahrt wurde. Ökumene wird so zur gegenseitigen Auferbauung.
Kirche und Religionen
Die katholische Kirche ändert auch ihre Haltung zu den Weltreligionen. Eine ursprünglich geplante „Judenerklärung“ wurde schließlich (vor allem durch politische Interventionen) zu einer Erklärung „Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ ausgeweitet. Damit kam es zur längst fälligen Korrektur des Verhältnisses der katholischen Kirche zum Judentum, aber auch zur Eröffnung des Dialogs mit anderen Weltreligionen, wie Islam, Hinduismus und Buddhismus.
Kirche und Welt
In der Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“, die erst während des Konzils auf Initiative des Papstes konzipiert wurde, legt die katholische Kirche ihre aktuelle Verantwortung für die Welt neu dar. Die theologische Grundlage dafür sind die Berufung aller Menschen zum Heil, zur Gemeinschaft mit Gott und die Inkarnationslehre, nach der der Sohn Gottes als fleischgewordenes Wort selbst „ in die menschliche Lebensgemeinschaft eingehen“ wollte. Die Kirche gibt sich nicht mehr als überlegene Lehrmeisterin der Menschheit, sondern weiß sich mit ihr schicksalshaft verbunden. Sie kann der Welt eine besondere Hilfe bringen, spricht aber auch von der Hilfe, die sie „von der heutigen Welt erfährt“. Ziel der Kirche ist nicht die Verkirchlichung der Gesellschaft, sondern der Dienst an ihr. Diese Antwort auf die Moderne war nur möglich, weil die Kirche die Welt nicht mehr nur als (feindliches) Gegenüber sieht, sondern ihre (gottgewollten) Eigenwirklichkeiten anerkennt. Daraus ergibt sich ein neues Verhältnis zur Wissenschaft, deren Eigenständigkeit zu achten ist, zur Wirtschaft, deren Fortschritt das Konzil damals fast euphorisch darstellte, und zur Politik, in der sich der einzelne Christ und die Kirche insgesamt zu engagieren haben. Die Weichenstellungen des Konzils für die Kirche der Zukunft sind eigentlich sehr deutlich. Vieles in der Erneuerung der Kirche ist zurzeit allerdings gehemmt. Die Kirche wäre es aber der Welt schuldig, ihr jenen Dienst anzubieten, zu dem sie sich im II. Vatikanischen Konzil, sicher unter Einwirkung des Hl. Geistes, so zukunftsweisend bekannt hat.
Zitat
Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Gewiss ist die Menschheit in unseren Tagen voller Bewunderung für ihre eigenen Erfindungen und die eigene Macht; trotzdem wird sie oft ängstlich und bedrückt durch die Fragen nach der heutigen Entwicklung der Welt, nach Stellung und Aufgabe des Menschen im Universum, nach dem Sinn seines Schaffens, schließlich nach dem letzten Ziel der Dinge und Menschen. Als Zeuge und Künder des Glaubens des Volkes Gottes kann das Konzil dessen Verbundenheit, Achtung und Liebe gegenüber der ganzen Menschheitsfamilie nicht beredter bekunden als dadurch, dass es mit ihr in einen Dialog eintritt über all diese verschiedenen Probleme. Aus der Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“