Die Interessensvertretungen der Menschen mit Beeinträchtigungen laufen Sturm: Es fehlen Budgetmittel im Bereich Wohnen, Arbeit, Persönliche Assistenz. Jüngst hat die Präsidentin der Lebenshilfe OÖ, Helga Scheidl, die Sorge bekräftigt.
„Hunderte Menschen mit Beeinträchtigungen in Oberösterreich brauchen dringend einen betreuten Wohnplatz“, sagt Scheidl und schildert der KirchenZeitung, welch schwerwiegende Konsequenzen die fehlenden Plätze haben: „Eltern von erwachsenen beeinträchtigten Kindern sind mittlerweile 70 oder 80 und ihre Kinder auch schon an die 60 Jahre alt. Diese Eltern kommen in die Situation, dass sie die Betreuung der Kinder nicht mehr schaffen. Manche sagen verzweifelt, sie hoffen, dass sie nicht vor dem Kind sterben. Sie wüssten nicht, wie es dann weitergeht.“
Akuter Bedarf: 500 Wohnungen
Schaut man auf die nächsten zehn Jahre, so Helga Scheidl, bräuchte Oberösterreich zusätzlich für 3000 Menschen betreute Wohnplätze. Auf einen Schlag, also jetzt, seien 500 Plätze notwendig. Bis zum Jahr 2009 wurden Wohnhäuser gebaut, seither aber werden neue Plätze nur noch tröpferlweise geschaffen.
Rechte sind das eine, Geld das andere
Mehr als 1450 Menschen mit Behinderung warten auf mobile Betreuung und mehr als 360 Menschen mit Behinderung haben vergeblich um Persönliche Assistenz angesucht. – Auf diese Tatsachen weist die Plattfom für bedarfsgerechte Persönliche Assistenz in OÖ seit Monaten hin. Die Zahlen widersprechen dem politischen Bekenntnis: Das Land Oberösterreich hat im Chancengleichheitsgesetz den Anspruch auf die Leistungen formuliert. Es hat sich zur Inklusion, also zur vollen Teilhabe der Menschen mit Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben, sowie zu ihrer Selbstbestimmung verpflichtet. Was nützen Ansprüche, wenn sie nicht finanziert werden? „Viele Menschen mit Behinderung sind von einem selbstbestimmten Leben weit entfernt“, klagt die Obfrau der Selbstbestimmt-Leben-Initiative OÖ, Karin Holzmann.
Keine Notlösungen
Helga Scheidl weist die Notlösungs-Idee zurück, in den Pflegeheimen frei gewordene Plätze mit Menschen mit
Beeinträchtigungen „aufzufüllen“. Denn diese brauchen ein aktivierendes und förderndes Umfeld. Man könne nicht junge Menschen mit einer Beeinträchtigung und Menschen in der Endphase ihres Lebens in den bestehenden Alten- und Pflegeheimen gemeinsam betreuen! Nur wenn bei älteren Personen mit Beeinträchtigung die medizinische Betreuung nicht mehr im gewohnten Wohnumfeld gewährleistet werden kann, sei eine Betreuung in Alten- und Pflegeheimen sinnvoll. Es brauche wie den Bundes-Pflegefonds dringend auch einen Inklusionsfonds, sagt Helga Scheidl. Die Bundesländer schaffen das nicht.