Pfingsten – und die große Ratlosigkeit in der Politik
Gewaltige politische Veränderungen sind in Europa im Gange. Politische Landschaften werden auf den Kopf gestellt. Auch Österreich steht vor einer Wahl – eine Woche nach Pfingsten. Was hat der Heilige Geist damit zu tun? Moraltheologe Dr. Michael Rosenberger im Gespräch.
Ausgabe: 2016/19, Pfingsten, Politik, Bundespräsident, Rosenberger, Interview
10.05.2016 - Matthäus Fellinger
Kann man sich vom Heiligen Geist auch im politischen Wahlverhalten inspirieren lassen?
Dr. Michael Rosenberger: Ich glaube schon, dass der Heilige Geist uns inspiriert – wie er unser ganzes Verhalten inspiriert und leitet. Schwieriger ist die Frage: Was will er von uns – und wo führt er uns hin?
Was wären Fragen, die Christ/innen vom Heiligen Geist her bedenken sollten?
Die wichtigste Frage ist die nach den Früchten. An den Früchten werdet ihr sie erkennen, sagt die Bergpredigt. Paulus benennt im Galaterbrief solche Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.
Ich kann mich also fragen: Von welcher politischen Orientierung kann ich mir vorstellen, dass diese Früchte verwirklicht werden?
Manche sehen keine ideale Wahlmöglichkeit?
Die perfekte Wahlmöglichkeit haben wir nie. Die Politikerin oder der Politiker, der alle unsere Wünsche erfüllt, müsste erst erfunden werden. Sie sind ja Menschen wie wir, mit Stärken und Schwächen. Es geht also darum: Bei wem sehe ich die Früchte des Geistes eher verwirklicht, bei wem weniger? Nicht zur Wahl zu gehen wäre die schlechteste Lösung.
Sind Sie besorgt um das politische Klima?
Ja, ich bin besorgt. Einerseits kann ich manchen Ärger über die etablierte Politik verstehen, wenn primär die eigene Klientel bedient wird und man die eigenen Leute in Positionen bringt. Das trifft häufig zu. Auf der anderen Seite: Wir dürfen nicht meinen, Politik könnte alle unsere Wünsche erfüllen, und es müsste immer noch alles besser und toller werden. Wir müssen realistisch bleiben und sagen: Eigentlich haben wir ein hohes Niveau und wir könnten auch zufrieden sein.
Und nach der Wahl: Wie mit dem Ergebnis umgehen, wenn es nicht nach Wunsch verläuft?
Ein Wahlergebnis muss man respektieren. Die große Frage ist: Wie können wir weiterkommen? Mit dem Wahlgang haben wir unsere Schuldigkeit nicht getan. Ein Staat lebt davon, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich um Moral bemühen und um ein gutes Miteinander. Die Politik alleine kann nicht den Staat machen. Jede und jeder ist gefordert.
Ist nicht gerade das fehlende Miteinander zum Problem geworden?
Man hat schon den Eindruck, es ginge jedem nur noch darum, seinen Besitzstand zu wahren. Das große Ganze hat man nicht mehr im Blick. Da muss man ehrlicherweise auch sagen: Es kann sein, dass mancher von seinem Besitzstand auch etwas hergeben muss.
Europa beschäftigt sich sehr mit seinen Grenzen. Was bedeutet da Pfingsten?
Ein Kriterium des Heiligen Geistes ist auch das Hinausgehen aus den verschlossenen Häusern, wie es im Pfingstereignis geschildert wird. Wo sich jemand abschottet, wird er dem Heiligen Geist nicht begegnen können. Das ist auch bei den Grenzschließungen ein wichtiger Punkt. Ist der Heilige Geist bei uns gefangen oder ist er draußen – und wir lassen ihn nicht herein? Man muss Fenster und Türen öffnen, wenn man ihm begegnen will.