Mayr Josef. – Bei so einem häufigen Namen gibt es oft Erklärungsbedarf. Wenn dann ein solcher Mayr täglich die Demarkationslinie passiert, können Probleme nicht ausbleiben.
Im Oktober 1945 erhält Josef Mayr beim Landesinvalidenamt in Linz eine Anstellung. Als er im November 1946 seine Frau Gertrude heiratet, zieht er in ihre kleine, 16 Quadratmeter große Wohnung in Urfahr und muss von nun an täglich von der russischen Zone über die Nibelungenbrücke in die amerikanische pendeln. „Wiederholt haben mich die Russen ins Wachhäusl hineingeholt.“ Durch Telefonate mit der Kommandantur – wahrscheinlich haben sie wieder irgendeinen Mayr gesucht – vergeht oft eine Stunde. Jenseits der Brücke, beim amerikanischen Posten, ist der nächste Stopp: Da heißt es, Kragen öffnen und sich Desinfektionsmittel unters Gewand spritzen lassen.
48 Mayr beim Verhör
Schön früher einmal hat ihm der Name Mayr viel Zeit gekostet. Als er sich – aus der Kriegsgefangenschaft verwundet heimgekehrt – im Juni 1945 im amerikanischen Lazarett in Linz meldet, wird er bald darauf abgeführt und kommt in die Fabrikskaserne. Dort wird er zum Verhör gebracht. In der Reihe stehen 48 Männer. – Lauter Mayr ... Erst Ende August 1945 erlangt er die Freiheit.
Wohnungsnot
Die kleine Wohnung in Urfahr ist in miserablem Zustand. Überall regnet es herein. Aber vorerst bleibt Mayrs Versuch, eine bessere Wohnung zu bekommen, ohne Erfolg. „Dann stellen Sie sich halt ein Heferl unter“, rät ihm der zuständige Baumeister zynisch. Im Landesinvalidenamt arbeitet Josef Mayr bei einem Anfangsgehalt von 160 Mark (der Schilling wird erst kurz vor Weihnachten 1945 wieder allgemeines Zahlungsmittel in Österreich). Er kommt in Kontakt mit den Kriegsblinden, denen er bis zur Auflösung des Vereins 2004 als Rechnungsprüfer verbunden bleibt. 1946 wechselt Mayr in die Buchhaltung des Landesinvalidenamtes, das bis 1947 im Linzer Priesterseminar in der Harrachstraße untergebracht ist. Zum damaligen Regens und späteren Bischof DDr. Franz Salesius Zauner gibt es gute Kontakte.
Rattenplage
Das Landesinvalidenamt übersiedelt 1947 in eine Barackenanlage am Hühnersteig. An das gute Klima und an die Rattenplage dort erinnert sich Mayr heute noch. Häufig verendet unter dem Holzboden eine Ratte und stinkt erbärmlich. Der Holzboden muss oft in mehreren Zimmern aufgerissen werden ...
Kirche ist Heimat
1950 bekommt die damals schon dreiköpfige Familie Mayr endlich eine größere Wohnung, die im Gebiet der Pfarre Christkönig liegt, die im Oktober 1951 die neue Kirche einweihen kann. Das kirchliche Leben verläuft in der Russenzone ungehindert. Schon sehr bald finden Fronleichnamsprozessionen statt. Russische Soldaten schauen zu, fotografieren viel, aber es passiert nichts. Mut braucht man schon. Aber diesen Mut haben viele. Die Kirche ist ein Ort, an dem man sich wohl fühlt. Sie gibt Heimat. Mayr ist vom damaligen Pfarrer, Prälat Bramerdorfer, angetan und arbeitet in der Pfarre mit. Er hilft, Kohlen, Kartoffeln und Mehl an die Armen zu verteilen. Die neue Kirche wird gebaut. Das kostet Geld. Frauen fahren aufs Land und finden auch dort Menschen, die von dem Wenigen, was sie haben, viel für die neue Kirche in Urfahr geben. Josef Mayr ist einer der ersten Caritas-Haussammler – diesen Dienst leistet er bis heute. Von der einen in die andere Zone transportiert Josef Mayr in den ersten Nachkriegsjahren mehrmals Kartoffeln, manchmal auch Fleisch vom elterlichen Bauernhof in Niederwaldkirchen. Der Schmuggel ist verboten. Aber er ist relativ leicht unter der Bank der Straßenbahn möglich. Fährt Mayr mit dem Rad, kann er sogar unbehelligt transportieren.
Staatsvertrag – Volksfest
Das Stadtbild von Urfahr ist in den ersten Jahren intensiv von der russischen Besatzungsmacht geprägt. Im Lauf der Zeit werden die Kontrollen rarer und die Soldaten weniger. Als dann am 15. Mai 1955 der Staatsvertrag unterschrieben wird, ist das für die Bevölkerung ein Volksfest. Auch Josef Mayr ist zum Feiern an der Nibelungenbrücke, die nun nicht mehr Zonengrenze ist.