Die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens war das Anliegen eines eigenen Konzilsdekretes. Kunigunde Fürst erlebt die „Baustelle Orden“ seit 40 Jahren.
Die Bilder von der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils wird Kunigunde Fürst nie vergessen: „Damals durften wir an der Lehrerbildungsanstalt der Vöcklabrucker Schulschwestern zum ersten Mal fernsehen.“ Das Ende des Konzils erlebte sie bereits als Novizin. „Gerade wir jüngeren Schwestern haben uns damals sehr für die Berichte aus Rom im Radio und Fernsehen interessiert. Wir waren angesteckt von der Aufbruchsstimmung in der Kirche“, erinnert sich Fürst. Eine Aufbruchsstimmung, die dann auch ihren Orden erfasst hat. „Da wurde eine Baustelle eröffnet, die bis heute nicht fertig ist. Aber das passt zum pilgernden Gottesvolk, zu dem wir Schwestern uns bewusst dazurechnen, ohnedies besser als ein perfekt renoviertes Haus“, meint Fürst.
Neu orientiert. Sofort nach dem Konzil gründeten die deutschsprachigen franziskanischen Dritt-Orden einen Arbeitsausschuss zur Reform der Konstitutionen (Lebensorientierung) und Regeln. Begleitet wurde dieser Prozess von so genannten „Rüstzeiten“ für Schwestern, um der franziskanischen Spiritualität näher zu kommen. „Das Resultat war eine radikale Neuorientierung“, sagt Kunigunde Fürst. Es wurde nicht nur das Ordenskleid der Zeit angepasst und viele alte Gebräuche, wie das „demütige Bitten“ oder das Knien vor der Mutter Oberin, abgeschafft. „Mit der Reform der Konstitutionen wurde eine völlig neue Basis geschaffen, die sich schon in der Sprache zeigt“, betont Fürst. So heiße es nicht mehr „ihr sollt“ oder „ihr müsst“, sondern „wir wollen“. Das hatte in der Folge u. a. auch Auswirkungen auf den Leistungsstil. Ebenso wichtig sind für Fürst die verschiedenen Schritte zur geistlichen Erneuerung. Das Konzil habe die Orden aufgefordert, ihre Ursprungscharismen mit dem Blick auf die heutige Zeit neu zu entdecken. „Für uns bedeutete das zunächst die Belebung der franziskanischen Spiritualität“, erinnert sich Fürst. Mit Exerzitien in Assisi wollten die Schwestern ihren Wurzeln näher kommen. Eine Reihe von Schwestern machte den Fernkurs franziskanische Spiritualität. (Heute bieten sie den Kurs selber an.) Die Mitarbeiter/innen der verschiedenen Einrichtungen (Spitäler, Schulen, Kindergärten, Altenheime) wurden verstärkt in das Ordenscharisma eingebunden.
Signale. Ebenfalls im Sinne des Konzils ist die verstärkte Hinwendung zu den Glaubensquellen. In allen Häusern des Ordens werden seit Ende der 80er Jahre regelmäßig Bibelgespräche abgehalten. Eine Reihe von Schwestern machten theologische Ausbildungen. „Eine Novität“, meint Sr. Kunigunde, die als Erste ihres Ordens Theologie studiert hat. Mit dem Haus Lea für bedrängte Frauen, dem neuen geistlichen Zentrum und dem Aufbau eines Kompetenzzentrums für Seniorenarbeit setzen die Schwestern auch nach außen „Reformzeichen“. Zum 150-Jahr-Jubiläum (2000) ändern sie ihren Namen: Aus den „Armen Schulschwestern vom 3. Orden des hl. Franziskus “ werden die „Franziskanerinnen“.
Weg der Hoffnung. „Der ,Charisma-Weg‘, den wir gegangen sind, war freilich nicht immer einfach. Viele Schwestern haben mit der Hinwendung zur franziskanischen Spiritualität zunächst wenig anfangen können, weil diese früher in unserer Gemeinschaft kaum verankert war. Sie suchten bei anderen Erneuerungsbewegungen Ersatz, was auch zu manchen Spannungen führte“, erinnert sich Fürst. „Außerdem haben wir uns erst unter der Not der rückläufigen Berufungen wirklich radikal den Fragen gestellt: Was sind unsere Wurzeln? Wer sind wir als Ordensfrauen? Und was ist unser Auftrag heute? Noch liegen die Antworten nicht fertig auf dem Tisch. Aber ich hoffe, dass wir auf einem Weg sind, der uns selber mehr Freude und Erfüllung schenkt und der auch jungen Frauen eine Perspektive für ein erfülltes Leben aufzeigt“, meint Fürst.
Am 11. Oktober 1962 hat Papst Johannes XXIII. das II. Vatikanische Konzil eröffnet. Er wollte die Kirche zur modernen Welt hin öffnen und warnte vor den „Unglückspropheten“ in den eigenen Reihen, die davor Angst hatten. Drei Jahre und vier Sitzungsperioden später hat Papst Paul VI. das Konzil am 8. Dezember beendet.
Als das Konzil eröffnet wurde, haben viele Beobachter und die starken Leute der römischen Kurie noch geglaubt, dass die Versammlung der Bischöfe in wenigen Wochen vorbei ist. Doch bereits am 13. Oktober 1962 revoltierten die Bischöfe gegen die von der Kurie vorgelegte, konservativ dominierte Besetzung der Konzilskommissionen. Außerdem beschlossen sie eine von Kardinal Montini (später Paul VI.) vorgeschlagene Schwerpunktsetzung, die von konservativen Kurienkräften massiv kritisiert wurde. In der 2. Sitzungsperiode kam es am 8. November 1963 zur „legendären“ Abrechnung von Kardinal Frings (Köln) mit den anhaltenden Intrigen der konservativen Kräfte unter der Führung von Kardinal Ottaviani (Hl. Offizium). In vier Sitzungsperioden wurden insgesamt 16 Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen beschlossen. Sie waren Anstoß für viele Reformprojekte.