Dass eine Wahl angefochten werden kann, kennzeichnet den Rechtsstaat. Insofern ist es keine Peinlichkeit, wenn der Verfassungsgerichtshof diese Woche 90 Zeugen zu möglichen Unregelmäßigkeiten bis hin zu eventuellen Gesetzesverstößen bei der Bundespräsidentenstichwahl befragt. Vor der Befragung deutete nichts darauf hin, dass es absichtlichen Wahlbetrug gegeben hätte. Die Frage ist eher: Wie groß waren die Verstöße gegen das Wahlgesetz und hatten sie Einfluss auf den Wahlausgang?
Wenn das der Fall ist, kann die Angelegenheit noch peinlich werden. Demokratisch beschlossene Gesetze sind immer einzuhalten. Bei Gesetzen, welche die Durchführung demokratischer Wahlen regeln, gilt dies in ganz besonderem Maße: Hier geht es um das „Eingemachte“ der Demokratie, nämlich um das Vertrauen der korrekten Umsetzung.
Egal, wie die Verfassungsrichter letztlich entscheiden: Vorkehrungen für die nächsten anstehenden Wahlen sind in jedem Fall angesagt. Das betrifft nicht nur eine Reform der Briefwahl, die eine derart „zweigeteilte“ Stimmenauszählung vermeidet. Es bedeutet auch, über die Dokumentation der Auszählung nachzudenken: Denn Fälle, in denen die Korrektheit der Auszählung durch Mitglieder der Wahlkommission mit Unterschrift bestätigt wird, sich dann aber herausstellt, dass doch Fehler gemacht wurden, darf es an sich nicht geben.