Das Bemühen, Wunder fassbar zu machen, führt in diesem Jahr unweigerlich zum Phänomen Wolfgang Amadeus Mozart. Welcher Mensch verbirgt sich hinter dem Erschaffer wunderbarer Klangwelten? Eine Annäherung an Amadé.
Am Abend des 27. Jänner 1756 erblickt er in Salzburg das Licht der Welt. Am nächsten Morgen wird das Kind von Anna Marie und Leopold Mozart im Salzburger Dom auf den Namen Joannes Chrisostomos Wolfgang Gottlieb getauft. Wolfgang Amadé nennt er sich selbst ab 1777.
Wolfgangerls erste Jahre. „Wolfgangerl“ ist das siebte und letzte Kind seiner Eltern, von denen nur mehr seine um viereinhalb Jahre ältere Schwester Marie Anne, genannt Nannerl, am Leben ist. Seine Eltern gelten ob ihrer „so vorteilhaften Körpergestalt“ als schönstes Ehepaar von Salzburg. Vater Mozart veröffentlicht im Geburtsjahr seines Sohnes eine exzellente Violinschule, die bis zum heutigen Tag eines der wichtigsten Lehrbücher im Bereich des Instrumentalspiels ist. Bald erkennt der Vater das musikalische Talent seiner Kinder und versteht es ihre Wunderkind-Ausstrahlung zu nutzen. Rund dreieinhalb Jahre ist der Vater mit Tochter und Sohn durch ganz Europa unterwegs. Die Kinder begeistern in nahezu allen europäischen Städten viele Menschen, Kaiser, Könige, Fürsten, wie auch den Papst, von dem Wolfgang den Orden zum goldenen Sporn erhält. „Der Welt zu verkündigen, welches Wunder Gott in Salzburg hat lassen geboren werden. Ich bin diese Handlung dem allmächtigen Gott schuldig …“, schreibt Vater Mozart. Die väterliche Erziehung scheint zwischen weitblickender Pädagogik und ruhmhungrigem Ehrgeiz zu pendeln.
In den Diensten des Fürsterzbischofs. Leopold Mozart ist von 1743 bis zu seinem Tod im Jahre 1787 in Diensten des Salzburger Fürsterzbischofs, ab 1763 als Vizehofkapellmeister. Im Alter von 13 Jahren tritt auch Wolfgang Amadeus in die erzbischöflichen Dienste, vorerst als unbesoldeter dritter Konzertmeister, später als gut besoldeter Hoforganist. Messen komponiert er – bis auf die nicht fertig gestellte C-moll-Messe als Dank für seine Verehelichung mit Constanze Weber und das fragmentarische Requiem – nur in seiner Salzburger Zeit. Kurz mussten diese Messen sein und ohne pompöse Ausschmückungen – so verfügte es der aufgeklärte Dienstherr, Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo.
Superieures Talent. Wiederholte Urlaubsansuchen von Vater und Sohn belasten das Verhältnis zum Bischof. Salzburg wird für Wolfgang immer enger. Es fehlt ihm am Puls der Zeit zu sein, wie auch ein Operntheater. Mozart schreibt 22-jährig in einem Brief an seinen Vater: „Ein Mensch von mittelmäßigem Talent bleibt immer mittelmäßig. Er mag vereisen oder nicht, aber ein Mensch von superieurem Talent, welches ich mir selbst, ohne gottlos zu sein, nicht absprechen darf, wird schlecht, wenn er immer an dem nämlichen Ort bleibt“ (11. 9. 1778). Das provozierte Ende seiner Salzburger Jahre tritt 1781 ein. Er wird – so will es die Legende – vom erzbischöflichen Küchenmeister Graf Arco mit einem Fußtritt aus den Diensten entlassen. Das bedeutet für den Sohn Mozart auch einen Ablösungsprozess von seinem (über)mächtigen Vater. „Nach Gott kommt gleich der Papa“, soll Wolferl einmal gesagt haben.
Mozart und die Religion. Mozart: der Katholik und der Freimaurer. Was lässt sich heute über Mozarts Frömmigkeit sagen? Vieles in seinem Werk und in seinen Briefen zeigt die enge Verbindung von Glaube, Religion und Leben. „War Mozart fromm?“, fragt auch Peter Bichsel in seinem Büchlein „Möchten Sie Mozart gewesen sein?“ und versucht für sich folgende Antwort: „Die Zärtlichkeit, wie er mit Musik die Worte des Benedictus (aus der Credo-Messe, KV 257) streichelt, lässt darauf schließen. Aber die Frage, ob er fromm war, ist keine Frage an ihn, sondern an uns, an mich. Musik ist kein Argument, und Mozart argumentiert nicht, und das macht es mir so leicht, hier mit den Frommen zusammen fromm zu sein.“ Religion war gewiss ein wesentlicher Faktor für Mozarts Leben und Werk: Nicht nur, weil er in Salzburg aufgewachsen ist und in den Diensten des Fürsterzbischofs stand. Auch für den Menschen Mozart waren Fragen nach der Bestimmung des Lebens, nach Gott und dem Leben nach dem Tod zentral.
Verhältnis zum Tod. Mozart schreibt an seinen Vater: „Da der Tod genau zu nehmen der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! Ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht, so jung als ich bin, den anderen Tag nicht mehr seyn werde.“ Ein beeindruckendes Zeugnis eines 22-Jährigen, wobei zu bedenken ist, dass die Menschen des 18. Jahrhunderts viel mehr mit dem Tod konfrontiert waren. Von Mozarts sechs eigenen Kindern überleben nur Carl Thomas und Franz Xaver, der auch Musiker wird. Mozarts eigener Tod hindert ihn daran, sein Requiem fertig zu stellen, verhindert vielleicht auch eine erhoffte Stellung als Domkapellmeister in St. Stephan.
Göttliche Kraft. Vieles wurde und wird über Mozart gesagt, geforscht, interpretiert und spekuliert – was letztlich unentziehbar wirkt, ist die göttliche Kraft seiner Musik. Eine Kraft, die keinen Unterschied zwischen Menschen egal welcher Herkunft oder Religion macht. Eine Kraft, die uns an die ersten und letzten Dinge des Lebens erinnert. Der evangelische Theologe Karl Barth sagt: „Was ich höre bei Mozart, ist ein letztes Wort über das Leben, soweit es von Menschen ausgesprochen werden kann. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es gerade ein Musiker gesagt hat. Aber ich höre ein letztes Wort, das sich bewährt, ein Wort, das durchhält, auf das man zurückkommen, mit dem man immer wieder anfangen kann.“ Papst Benedikt XVI. schreibt über Mozart: „So bleibt beim Hören von Mozarts Musik in mir zuletzt Dankbarkeit zurück, dafür, dass er uns dies alles geschenkt hat – und dass es ihm geschenkt worden ist.“
Norbert Trawöger/Elle
Kommentar: Aufschäumende Lebensbejahung
Mozart: Man rühmt seine unermessliche schöpferische Begabung, seine intelligente Formulierungskunst und die Fähigkeit des charismatisch verdichteten Ausdrucks. Man sollte dabei freilich nicht vergessen, dass Mozart auch ein enorm fleißiger Arbeiter war, keine Zeit vergeudete und buchstäblich Tag und Nacht am Klavier und am Schreibtisch saß; denn er wusste, dass man seinen Talenten gegenüber die Verpflichtung hat, sie voll und ganz zur Geltung zu bringen; allein so konnte er der Nachwelt bei nur 35 Lebensjahren ein Gesamt-Oevre von rund 650 Werken höchster Qualität hinterlassen. Noch etwas: Mozart war keineswegs vom Glück verwöhnt: fünf seiner Geschwister starben im Kindesalter; seine Mutter verlor er auf einer Reise nach Paris, der Vater starb früh und von seinen eigenen sechs Kindern überlebten nur zwei; er wusste demnach aus eigenem Erleben, dass Leid und Tod unvermeidliche Begleiterscheinungen menschlicher Existenz sind. Dennoch war Wolfgang Amadeus kein Pessimist, Miesma-cher und Raunzer, seine Musik strahlt positive Kraft aus, aufschäumende Lebensbejahung. Und eine der letzten Passagen, die dem Komponisten am Sterbebett aus der Hand floß, „Voca me cum benedictis“, dürfen wir als hinreißendes Bekenntnis des Meisters zum Schöpfungskonzept Gottes empfinden, das für den Menschen die ewige Verklärung vorsieht.
P. Balduin Sulzer OCist aus dem Stift Wilhering ist Pädagoge, Musiker und Komponist
Wort und Ton
- Mozart Biographie. „Das beste Buch über Mozart ist eines, das neue Lust auf seine Musik macht“, stellt sich M. Geck selber als Anspruch und erfüllt ihn auf faszinierend-vielschichtige Weise. Ein Buch, das auch wegen seiner einladenden Sprache einfach gelesen werden muss und einen unverstellten Blick auf das Leben des Genius wirft. Martin Geck, Mozart. Eine Biografie, Verlag Rowohlt.
- Mozart Zeitzeuge. „Ich kannte Mozart“ so heißt die einzige Biografie eines Augenzeugen. Franz Xaver Niemetschek, der Mozart bewunderte, gibt einen sympathischen Zeitzeugenbericht ab, der für viele Mozartforscher eine wichtige Quelle ist. Franz Xaver Niemetschek, Ich kannte Mozart, Verlag LangenMüller.
- Mozart Dialoge. Nikolaus Harnoncourt, jener Mann, der Generationen von Zuhörern und Musikern Mozart jenseits des „Schönklangs“ zurückgab, zeigt, wie undogmatisch und doch unablässig fragend er von Mozarts Musik fasziniert ist. Nikolaus Harnoncourt, Mozart Dialoge, Residenz Verlag.
- Rarität aus dem Vatikan: Eine schaurig-schöne Aufnahme von 1902 mit dem letzten Kastraten aus der berühmten Capella Sistina des Vatikans. Ave verum corpus, KV 618 Alessandro Moreschi: The last castrato. Complete Vatican Recordings (Aufnahme 4/1902) Pearl, Opal 9823
- Mozart Anders. Die übers Jahr verteilte Veranstaltungsreihe „Dialoge – religion spiel liebe tod“ der Stiftung Mozarteum, die sich auf brillant-vielschichtige Weise der Musik und der Person Mozart annähert. Info: www.mozarteum.at
Mozart Sakral. Das gesamte kirchenmusikalische Werk Mozarts wird heuer in 30 Wiener Kirchen zu hören sein. Auftakt ist am 27. Jänner mit der „Krönungsmesse“ im Stephansdom (im ORF ab 16. 45 Uhr).