Mit Dr. Walter Wimmer geht eine markante oberösterreichische Priester-Persönlichkeit in den Ruhestand. 20 Jahre lang war er Sprecher des Priesterrates, er ist Mitglied des Domkapitels, war Dechant und Regionaldechant.
Ausgabe: 2016/28, Walter Wimmer, Pfarre Linz-St. Konrad
12.07.2016 - Matthäus Fellinger
Wozu braucht es heute Priester?
Dr. Walter Wimmer: Ich bin überzeugt, dass der Mensch „unheilbar religiös“ ist. Das kann zum Wohl der Menschheit nicht durch Ersatzgötter ersetzt und befriedigt werden – und soll es auch nicht. Unsere Zeit braucht das Religiöse wie es in früheren Zeiten der Fall war.
Seit 47 Jahren sind Sie Priester, 32 Jahre davon Pfarrer in Linz-St. Konrad. Gehen Sie leichten oder schweren Herzens in Pension?
Wimmer: Mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge, vor allem mit dankbarem Herzen. Wenn man etwas so lange mit Herzblut gegeben hat, stößt man das nicht einfach ab, vor allem, weil ich sehr gerne hier in St. Konrad war.
Haben Sie Angst vor dem Älterwerden?
Wimmer: Ich stehe im 74. Lebensjahr. Ich weiß auch um Krankheiten meiner Geschwister – und ich möchte deshalb rechtzeitig etwas leiser treten. Aber ich bleibe Priester und auf Anfrage bin ich nach eigener Entscheidung bereit zu helfen, wo Not am Mann ist – und diese Not ist leider groß. Ich werde wohl noch lernen müssen, öfter nein zu sagen. Ich hatte zwar immer nur eine Pfarre, aber auch viele andere Aufgaben. Die Terminvielfalt ist schon manchmal belastend.
Würden Sie Ihre Entscheidung zum Priesterberuf auch heute so treffen wir damals?
Wimmer: Ich bin gerne Priester und war gerne Pfarrer – und ich würde auch heute diesen Weg jungen Menschen empfehlen. Die Kirche wird angesichts des Priestermangels über die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt und über eine Entkoppelung von Zölibat und Eucharistiefeier nachdenken müssen, auch über das Diakonat der Frau.
Auch in Bezug auf das Priesteramt für Frauen?
Wimmer: Ich habe darin theologisch nie ein Problem gesehen, die Frage ist eher die Psychologie – ob die Gesellschaft dazu bereit wäre. Es wäre nicht gut, wenn es zu einer Spaltung käme.
Überwogen die Durststrecken, oder die Zeiten der Freude?
Wimmer: Es gibt in der Kirchengeschichte die Auf- und Ab-Bewegungen. Ich habe erlebt, dass einige Mitbrüder sich laisieren ließen. Ich habe auch erlebt, wie Päpste meinten, fromme und starke Bischöfe einsetzen zu müssen, was zu nicht wenigen Fehlbesetzungen geführt hat – wofür sich leider die Kirche von Rom bis heute nicht entschuldigt hat. Nicht nur ihre einzelnen Mitglieder, auch die Kirche selbst macht Fehler. Trotzdem: Ich kann immer nur beten: Herr, erneuere deine Kirche und fange bei mir selber an.
Ist mit Papst Franziskus Ihre Hoffnung gestärkt worden?
Wimmer: Es ist eine besorgte Hoffnung, denn ich weiß auch um die Widerstände in der eigenen Kurie. Es ist eine Freude mit ihm, und er legt uns die Latte hoch. Er ist ein Stachel im Fleisch narzistischer Sicht- und Handlungsweisen. Er mahnt uns, zu den Menschen zu gehen, zumal an die Ränder. Auch in der Ehe-Pastoral geht es um den konkreten Menschen. Es soll der nächstmögliche Schritt ermöglicht werden, ohne das Ideal aus den Augen zu verlieren. Und der nächste Schritt kann bei jedem ein anderer sein.
Sie sind bekannt als einer, der das Predigen besonders ernst nimmt. Was bedeutet es Ihnen?
Wimmer: Ich bin dankbar, die Möglichkeit zu einem verlängerten Studium gehabt zu haben (Anm.: 1963 – 1973 in Rom). Ich denke, dass es für meinen Predigtdienst und meine beratende Tätigkeit sehr positiv war.
Predigen ist eine große Verantwortung. Das Wort ist das Medium der Verkündigung, man muss da die Menschen auch ernst nehmen.
Was sind Ihre neuen Ziele und Anliegen?
Wimmer: Ich freue mich auf mehr Zeit für Dinge, die ich gerne tue: wandern und pilgern. Im Herbst möchte ich den Franziskusweg nach Assisi, vielleicht sogar bis Rom gehen. Und ich freue mich auf Zeit zum Lesen – und für Meditation. Und ich bin bereit zu helfen, wo Not am Mann ist.
Ich möchte danken. Im normalen Leben wird es einem nicht so bewusst, was wir alles empfangen. In einer Pfarre ist es ein Geben und Nehmen. Ich habe versucht, Charismen zu entdecken, zu fördern und zu koordinieren. Es ist ja nicht „meine“ Pfarre, sondern„unsere“ Pfarre.