Jung und Alt im Kirchenchor. Der jüngste Kirchenchorleiter Oberösterreichs kommt aus Kirchschlag und heißt Mathias Kaineder (18 J.). In seinem Chor erheben 30 Sänger/innen im Alter von 16 bis 76 Jahren ihre Stimme.Foto: Kaineder
Ostern bedeutet Hochsaison in der Kirchenmusik. Von gregorianischem Choral über W. A. Mozarts „Spatzenmesse“ bis zum Gospel reicht das Angebot. Singen spielt eine bedeutende Rolle in der Liturgie und zählt zur Grundfähigkeit des Menschen, sagt Kirchenmusik-Referent Josef Habringer. Aber ist Singen heute noch zeitgemäß?
Das Gespräch führte ELISABETH LEITNER
Was kann und soll Kirchenmusik im Gottesdienst leisten?
Mag. Josef Habringer: Musik ist Teil der Liturgie. Sie ist das geeignete Medium in der Verkündigung, um über das Wort hinaus jene Welt erahnen zu lassen, die hinter unserer unmittelbar erfahrbaren Welt liegt. Die Musik, vor allem die Kirchenmusik, kann – um es poetisch zu formulieren – einen Blick in den Himmel ermöglichen. Daher ist es wichtig, der Kirchenmusik den Ort und Wert einzuräumen, der ihr zusteht. Sie dient nicht zur Behübschung oder als Pausenfüller.
Hat die Kirchenmusik in den Pfarren, in der Diözese jenen Stellenwert, der ihr zusteht?
Habringer: Der Stellenwert der Musik im Gottesdienst ist einerseits sehr hoch. Die Wertschätzung ist andererseits oft erst dann gegeben, wenn jemand ausfällt. Ein Ostergottesdienst – ohne Musik? Das geht nicht! Da wird erst sichtbar, was die Kirchenmusik leistet. Die Bereitschaft der Liturgieleiter/innen, in die Pflege der Kirchenmusik zu investieren, ist nötig. Dazu braucht es auch die finanzielle Unterstützung in den Pfarren, z. B. ein fixes Budget für Notenmaterial oder einen Probenraum. Das ist aber oft nicht vorhanden.
Musik (CD, Radio) zu konsumieren nimmt zu, aktives Musizieren wird seltener. Ist Singen nicht mehr zeitgemäß?
Habringer: Singen gilt oft als uncool. Wohl auch, weil sich Menschen hinter ihrer Stimme nicht verstecken können. Singen ist eine intime Angelegenheit. Aber wer den Mut dazu hat, wird reich beschenkt. Gleichzeitig ist für Sänger/innen in einem (Kirchen-)Chor das Erleben der Gemeinschaft ein wichtiger Faktor. Stimme und Stimmung, Intonation und Klang – das hängt alles zusammen und das hört man auch.
Immer wieder ist vom Verstummen der Kirchenchöre und von zu wenig Nachwuchs die Rede. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Habringer: Wir haben zur Zeit in Oberösterreich 500 Kirchenchöre und 100 Jugendchöre mit insgesamt 12.000 Sängerinnen und Sängern. Eine große Anzahl ist regelmäßig bis zu 20 Mal im Jahr im Einsatz. Alle tun dies in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Probleme, die sich der Kirche heute stellen, wie abnehmende Kirchenzugehörigkeit, fehlender Nachwuchs und Rückgang der Gottesdienstbesucher/innen spiegeln sich natürlich in der Situation der Kirchenchöre wider. Dazu kommt eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, dass Menschen weniger Bereitschaft zeigen, sich regelmäßig und über längere Zeit an eine Gruppe oder Institution zu binden. Darunter leiden Sportvereine, politische Parteien und Kirchenchöre ebenso. Trotzdem bin ich optimistisch: Singen und Musizieren ist eine Grundfähigkeit des Menschen, die ungeheuer bereichernd sein kann. Wer es einmal erlebt hat, wird dies weiter pflegen.
Wie ist das Verhältnis von Alt und Jung, Frauen und Männern in der Chorszene?
Habringer: Der jüngste Chorleiter Oberösterreichs ist 18 Jahre alt, er heißt Mathias Kaineder und leitet in Kirchschlag den Kirchenchor mit Mitgliedern von 16 bis 76 Jahren. Junge Chorleiter/innen sind im ganzen Land dringend gesucht. Ich möchte nicht verschweigen, dass viele Kirchenchöre an Überalterung leiden. Auffallend ist auch, dass immer mehr Frauen (ca. zwei Drittel) und immer weniger Männer (ca. ein Drittel) in Kirchenchören singen oder bei Singtagen vertreten sind. Bei den begehrten Sing-Fortbildungen, z. B. in Puchberg, merke ich das besonders stark: wir haben viel zu wenig Männer, die singen.
ZUR PERSON: Mag. Josef Habringer
Der begeisterte Kirchenmusiker, Chorleiter und Sänger leitet das Referat für Kirchenmusik der Diözese Linz. Seit Jänner 2006 ist Habringer auch Domkapellmeister.