Kammer-Vertreter im Gespräch: Mag. Gerhard Stallinger (links) und Rudi Thanner (rechts). Foto: KIZ / Franz M. Glaser
„Das kann ich schon gar nicht mehr hören“, wird der Vertreter der Arbeiterkammer OÖ (AK), Rudi Thanner, heftig, als Mag. Gerhard Stallinger von der Wirtschaftskammer OÖ (WK) darauf hinweist: Oberösterreich ist das Lehrlingsland Nummer 1.
ERNST GANSINGER
Die KirchenZeitung hat die beiden Sozialpartner-Vertreter zum Gespräch gebeten. Hintergrund sind Jugendliche, die erfolglos einen Lehrplatz suchen, die Kampagne „Stellenwert“ (siehe ZUR SACHE unten) und die zwei besonderen Tage: 30. April, Tag der Arbeitslosen; 1. Mai, Tag der Arbeit.
Statistik hin, Statistik her
Wie unterschiedlich man etwas sehen kann! „Wir hatten im vergangenen Jahr 6,48 % mehr neue Lehrverträge. Und das von einem hohen Niveau“, sagt Mag. Stallinger. „Tatsache ist, dass seit dem Jahr 2000 die Zahl der WK-Lehrbetriebe von 9.076 auf unter 8.000 zurückgegangen ist“, kontert Rudi Thanner. Stallinger sagt, die Wirtschaftskammer-Statistik weist 8.100 Lehrbetriebe aus. – Also schon die Diagnose, wieviele Betriebe Lehrlinge ausbilden, ist unterschiedlich. Kein Wunder, dass auch die Therapie nicht einheitlich ist. Für Thanner steht fest: Würden nur 2.000 Betriebe von den etwa 65.000 WK-Betrieben zusätzlich bzw. erstmals je einen Lehrling aufnehmen, hätten wir kein Lehrplatz-Problem in Oberösterreich. Für Stallinger bildet die Wirtschaft sehr engagiert aus. 94 % aller Lehrlinge haben ihren Lehrplatz in der gewerblichen Wirtschaft. Wenn es dort und da Zurückhaltung gibt, liege es auch daran, dass ein Lehrling nach der dreimonatigen Probezeit praktisch unkündbar ist.
Fehlende Qualifikation
Warum gab es Ende März des heurigen Jahres 620 (Arbeitsmarktservice-Zahl) oder 2.000 (von der Arbeiterkammer ermittelte Zahl) Lehrplatz suchende Jugendliche? Und warum sucht dann zum Beispiel REWE österreichweit vergeblich 250 Lehrlinge? – „Über 40 Prozent der Lehrbetriebe würden mehr Lehrlinge ausbilden, würden die Qualifikationen passen“, sagt Mag. Stallinger. Es stimme, dass Betriebe aussuchen können, sagt Thanner. „Aber hätten alle HTL-Niveau, hätten wir sie auch nicht untergebracht.“ Es gebe zu wenig Plätze.
Duales System
Das duale System (Berufsschule und betriebliche Ausbildung) halten beide für gut. Thanners Nachsatz: „Wenn es ausreichend qualifizierte Ausbildungsplätze gibt.“ Für diese müsste etwas getan werden (etwa Lehrwerkstätten). Denn trotz Förderung der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, gibt es zu wenig Plätze, die dem Berufswunsch und den Qualifikationen der Lehrplatz suchenden Jugendlichen entsprechen. Stallinger und Thanner weisen auf einige Maßnahmen hin, die das Problem entschärfen: Lehrlingsaufnahmen im öffentlichen Bereich, integrative Berufsausbildung, Coaches für Jugendliche auf Ausbildungsplatzsuche, AMS-Maßnahmen ...
Zur Sache
STELLENWERT
„Reality Check“
Am Mittwoch, 26. April, findet das Jugendforum „Reality Check“ im Linzer Ursulinenhof statt (Start: 14.30 Uhr, Ende: 18.30 Uhr). Es wird vom Forum Arbeit/Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung veranstaltet. „Sag, wie es dir dabei geht“, lautet die Einladung an Jugendliche, die gerade auf der Suche nach Arbeit sind. Die Anliegen der Jugendlichen werden in Workshops gesammelt und dann Politikerinnen und Politikern sowie Repräsentanten der Interessensvertretungen vorgestellt.
„best practice“
Ebenfalls im Rahmen von „Stellenwert – Jugend will Arbeit“ suchen die Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung, die Betriebsseelsorge und die Katholische Jugend OÖ Beispiele von Lehre als gelungenem Start ins Arbeitsleben. Lehrlinge, Ausgelernte, Lehrlingsausbildner/innen, Berufsschullehrer/innen, Eltern und Angehörige sind eingeladen, bis 15. Mai Vorschläge einzureichen. Eine Jury wird zwölf vorbildliche Beispiele auswählen. Diese werden im „best practice“-Kalender 2007 veröffentlicht.