Kolumbien: „Als Christen können wir nicht gegen den Friedensprozess sein“
Papst Franziskus besucht bis Sonntag Kolumbien. Er trifft auf ein Land mit vielen Sorgen: Hinter dem Friedensprozess nach einem 50-jährigen Bürgerkrieg mit rund 300.000 Toten warten noch zahlreiche soziale und ökonomische Probleme auf ihre Lösung, sagt Pater Emigdio Cuesta Pino, Provinzial der Steyler Missionare in Kolumbien und Venezuela.
Ausgabe: 2017/36
05.09.2017
- Heinz Niederleitner
Ist Papst Franziskus in Kolumbien willkommen – oder gibt es auch eine reservierte Haltung ihm gegenüber?P. Emigdio Cuesta Pino: Da Papst Franziskus nicht nur eine religiöse sondern auch eine politische Person ist, ist er nicht unumstritten und es gibt auch Gegner des Besuchs. Doch die Mehrheit begrüßt die Papstvisite.
Der Papst hatte den Besuch an die Ratifizierung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und den linksgerichteten FARC-Guerillas geknüpft. Die Entwaffnung der FARC ist abgeschlossen, ist der Friede nun gesichert?Cuesta Pino: Der Friede ist nach wie vor in Gefahr. Wie es weitergeht, hängt auch von den Wahlen im kommenden Jahr ab. Es wäre wunderbar, würde der Friedensprozess wie bisher fortgesetzt. Es gibt im Land aber auch Menschen, die gegen diese Aussöhnung sind. Ich gehe davon aus, dass uns der Papst zum Frieden ermutigen wird.
Einen Waffenstillstand, aber noch keinen Frieden gibt es mit den Guerillas der Gruppe ELN. Was ist hier zu erwarten?Cuesta Pino: Es geht voran, aber langsam. Einerseits spielen hier viele Faktoren hinein: politische, soziale und wirtschaftliche. Andererseits müssen die Friedensbestrebungen nach Jahrzehnten der Kämpfe erst nach und nach in den Herzen und Köpfen ankommen.
Neben dem Rebellenkonflikt hat Kolumbien noch weitere Probleme: Armut, Drogenkriminalität, ...Cuesta Pino: Ich bin sogar der Meinung, das Land hat noch größere Schwierigkeiten als den Konflikt mit FARC und ELN. Wir haben viele soziale Probleme, besonders aufgrund der vielen Armen, der sozialen Ungerechtigkeit und wirtschaftlicher Ungleichheit. Wir bräuchten bessere Bildung. Es gibt auch eine Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung und nach wie vor Rassismus (gegen die indigene Bevölkerung und den Nachkommen von Sklaven aus Afrika, Anm.). Wenn es durch den Friedensprozess gelingt, die Gewalt zu reduzieren, steht die Auseinandersetzung mit den anderen Problemen erst bevor.
Was erwarten Sie in dieser Hinsicht von Papst Franziskus?Cuesta Pino: Ich denke, er wird all dies ansprechen: In Villavicencio trifft er Opfer der Kämpfe mit den Guerillas. In Medellín wird er sich den sozialen Problemen zuwenden und in Bogotá wird es in den Reden wohl auch um Korruption gehen. In Cartagena wird das Thema das reale Leben der Kolumbianer sein. Sein Besuch kann daher für die Entwicklung des Landes sehr positiv werden.
Was würden Sie dem Papst gerne mitteilen?Cuesta Pino: Ich würde all das nennen, über das wir eben gesprochen haben. Und ich würde auch über die Kirche in Kolumbien sprechen. Denn es gibt eine gewisse Spaltung in der Kirche: Ein Teil ist mit dem aktuellen Friedensprozess mit den FARC nicht einverstanden. Entsprechend dem Evangelium ist aber klar: Als Christen können wir nicht gegen den Friedensprozess sein. «
Seligsprechungen
Der Papst wird zwei ermordete kolumbianische Geistliche – den Priester Pedro Maria Ramirez Ramos und Bischof Jesus Emilio Jaramillo Monsalve – seligsprechen. Dies gilt als Signal an jene Teile der kolumbianischen Kirche, die den Friedensprozess reserviert gegenüberstehen. Zu Wochenbeginn hieß es auch, die Guerillas der ELN wollten den Papst treffen und um Vergebung für die Ermordung von Bischof Jaramillo Monsalve zu bitten.