Ginge es nur ums Tore-Schießen, wäre die enorme gesellschaftliche Bedeutung des Fußballsports unbegreiflich. Leidenschaft, Emotionen, Geld – das ist es, was Fußball ausmacht. Und auch Gott spielt in scheinbar zunehmendem Ausmaß eine Rolle.
Christian Ortner
Der heilige Rasen in St. Hanappi hat schon bessere Tage gesehen. Der Fußballgott hat es in der abgelaufenen Saison nicht gut gemeint mit Rapid Wien. Trotzdem bleibt der Verein für seine treuen Anhänger eine „Religion“. Die religiöse Rhetorik, die im Fußball – zuweilen in ironisierter Weise – Einzug gefunden hat, ist nicht die einzige Verbindung zwischen dem Sport und dem Glauben. Spieler, die sich am Spielfeld bekreuzigen und beim Torjubel Leibchen mit „Jesus liebt dich“ oder ähnlichen Aufschriften präsentieren, sind besonders im südeuropäischen und amerikanischen Raum keine Seltenheit. Auch die Fankultur ist geprägt von religiöser Symbolik: Anhänger pilgern scharenweise ins Stadion, wo sie hymnische Gesänge anstimmen und den Fußballgott um ein gutes Ende (des Spiels) bitten.
Ähnliche Inszenierung. Für den Religionssoziologen Ansgar Kreutzer haben die genannten Phänomene mit tatsächlichem Gottesglauben nicht viel zu tun. „Die Mechanismen der Inszenierung sind ähnlich“, so Kreutzer. Allerdings seien diese beim Fußball Selbstzweck, während in der Religion Inhalte vermittelt werden. Von der Inszenierung des Fußballs könnte die Kirche in Bezug auf die Liturgie etwas lernen, meint Kreutzer. Im Stadion würden die Menschen ins Geschehen miteinbezogen. „Wer in die liturgische Feiergestaltung eingebunden wird, erlebt diese authentischer.“ Die Verbindung der Domänen Fußball und Religon kann er nachvollziehen. Zum einen sieht er eine „Entkirchlichung von Religiosität“, die es ermöglicht, dass Themen, die ursprünglich der Religion vorbehalten waren, in anderen Bereichen vorkommen. Das Wort „Sünde“ werde etwa am häufigsten in Verbindung mit Schlagobers genannt. Zum anderen gibt für ihn ein Zitat eines ehemaligen deutschen Teamtrainers den Ausschlag. So soll Sepp Herberger einmal gesagt haben: „Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht.“ Darin ortet Kreutzer eine Ohnmachtserfahrung mit Parellelen zum Leben. „Es ist die Sehnsucht der Menschen, es möge alles zum Guten führen“, erläutert der Theologe.
Keine Endzeiterfahrung. Weniger philosophisch sieht Sr. Hannelore Kasbauer den Fußball. „Ich glaube nicht, dass der Fan den Stadionbesuch als Endzeiterfahrung wahrnimmt“, sagt die sportbegeisterte Ordensfrau aus dem Benediktinerinnenkloster Steinerkirchen. Für sie geht es um Freude, Belebung und Gemeinschaft. Eine besondere Verbindung des Fußballs zum Glauben sieht sie nicht. „Der Sport hat Platz in unserer Welt, aber er ist nicht unsere Welt.“ Die Weltmeisterschaft in Deutschland wird sie, soweit möglich, vor dem Fernseher mitverfolgen.
Zur Sache
AngenehmeNebeneffekte
Fußball ist nicht nur ein sportliches, sondern vor allem auch ein gesellschaftliches, politisches und wirtschaftliches Phänomen. Neben der auf der Titelseite vorgestellten Aktion von „Jugend Eine Welt“, gibt es weitere angenehme Begleiterscheinungen, wenn das runde Leder rollt.
- K(l)ick 4 Kenia. Auf www.4youcard.at können von 1. bis 30. Juni virtuell Tore geschossen werden. Jedes Tor bringt 10 Cent. Ziel ist, 3.000 Euro für MYSA in Nairobi (Kenia) zu sammeln. Die „Torprämien stellt das Entwicklungshilfereferat von Landesrat Dr. Josef Stockinger zur Verfügung.
- Lange Nacht der Kirchen. Im Rahmen der langen Nacht der Kirchen wird am 9. Juni in der Wiener Kapuzinerkirche die zweite Halbzeit des Eröffnungsspieles der Fußball-WM Deutschland gegen Costa Rica live übertragen.
- Literatur.Franzobel, Mundial. Gebete an den Fußballgott. Literaturverlag Droschl; Graz, Wien, 2002.
Artur R. Boelder., Helmut Eder, Ansgar Kreutzer (Hg.), Zwischen Beautyfarm und Fußballplatz. Theologische Orte in der Populärkultur. Echter Verlag, Würzburg, 2005.