An der Fachhochschule Linz, Studiengang Sozialarbeit, rüttelte die Wiener Universitätsprofessorin Christa Schnabl mit ihrem Gastvortrag über Fürsorge und „gerecht sorgen“ an der Behäbigkeit traditioneller Rollenbilder: Männer müssen sich mehr an der Fürsorge beteiligen, fordert sie.
ERNST GANSINGER
Prof. Christa Schnabl zitierte am Ende ihres Vortrages Hans Bertram, der vorschlägt, Fürsorge ins Leben einzuplanen: „Wer seine volle Rente beziehen will, soll künftig nicht nur vierzig Dienstjahre, sondern auch fünf Jahre sozialer Dienstleistungen aufweisen können.“ Die Fürsorge, so kritisierte die Wiener Religionspädagogin und Sozialethikerin Christa Schnabl, ist in der klassischen Ethik unterbelichtet, die sich viel stärker mit Gerechtigkeit und Selbstbestimmung befasse. Damit ist auch das Bild von der Fürsorge unterbelichtet. Unterbelichtet wie die Wahrnehmung, dass die Fürsorge weiblich ist. Gegen diese Feminisierung der Fürsorge tritt Christa Schnabl auf.
Weibliche Fürsorge. Vielfach ist die fürsorgliche Arbeit privat, in weiblicher Verantwortung, hat eine geringe gesellschaftliche Anerkennung und ist, wenn überhaupt, schlecht bezahlt, lautet ihr Befund. Andererseits wird sie individuell auch heroisiert, etwa wenn aufopfernde Pflege im Familienkreis bewundert wird. Solches Pflegen und Dasein für Nächste ist oft eine Gratisleistung von Frauen. Frauen müssen Arbeit und Familie miteinander vereinbaren, was sie in Konfliktsituationen bringt. Männer, so Schnabl, erleben anderes: Die Familie trägt sie, die Erwerbsarbeit ist ganz wichtig für ihren Selbststand in der Gesellschaft. Wähend bezahlte zu nicht bezahlter Arbeit bei Frauen im Verhältnis von 30 zu 70 steht, ist dies bei Männern genau umgekehrt: 70 zu 30. Noch einen Aspekt spricht sie an: Unsere Gesellschaft lässt den Kindernutzen (Rente) der Gemeinschaft zukommen, die Kinderlast (Betreuung, Fürsorge) bleibt individuell. „Der modernen Gesellschaftsordnung ist eine Geschlechterordnung eingeschrieben.“
Männer müssen fraulicher werden. Vergleicht man die Geburtenrate in europäischen Ländern, fällt auf, dass es einen hohen Zusammenhang gibt zwischen dem Grad der Berufstätigkeit der Frauen und der Kinderzahl pro Frau im gebärfähigen Alter: Je höher der Frauenanteil an der Erwerbsarbeit ist (wie in Skandinavien), desto höher ist auch die Kinderzahl, und je weniger Frauen berufstätig sind (wie in Mittelmeerländern), desto drastischer ist der Geburtenrückgang. Prof. Schnabl legt daher eine Veränderung nahe: Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit teilen! Sie zitiert Nancy Fraser: „Man muss die Männer dazu bringen, in einem stärkeren Maß so zu werden, wie Frauen heute sind!“
SOZIALES
Persönliche Assistenz
Ende Mai eröffnete ie Persönliche Assistenz GmbH ihre neuen Büroräume in Linz. Landesrat Ackerl würdigte ihre Arbeit. Sie leiste seit fast fünf Jahren „einen unschätzbar wertvollen Beitrag zur Selbstbestimmung und damit zur Chancengleichheit für Menschen mit Beeinträchtigung“. Die Persönliche Assistenz GmbH bietet oberösterreichweit persönliche Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigung an. Also Hilfe, welche diese Menschen in die Lage versetzt, ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten: Hilfe zur Grundversorgung und Körperpflege, Begleitung und Mobilität, Assistenz im Freizeitbereich und bei der Haushaltsführung sowie Unterstützung bei der Kommunikation. Die Assistenznehmer/innen wählen selbst aus, wer ihr Assistent/ihre Assistentin ist, leiten diese an und bestimmen, wann und wo sie welche Assistenz benötigen. Das Sozialressort des Landes fördert die persönliche Assistenz bis zu 250 Stunden im Monat. Die Auftraggeber müssen drei bis fünf Euro in der Stunde selbst tragen. Derzeit arbeiten ca. 200 Assistent/innen für etwa 130 Auftraggeber/innen, berichtet Günther Breitfuß, Geschäftsführer der Persönlichen Assistenz GmbH. Olga Mayrhofer, die Vorsitzende der Selbstbestimmt-Leben-Initiative, des Trägervereins, freut sich über einen jährlichen Zuwachs von 20.000 Assistenzstunden.