Ausgabe: 2006/27, Kneifel, Barroso, EU, Bundesrat, Präsident
04.07.2006
- Kirchenzeitung der Diözese Linz
Gottfried Kneifel (links) und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Foto: M. Kress/Die Profis.
Am 1. Juli übernahm turnusgemäß der Oberösterreicher Gottfried Kneifel das Amt des Bundesrats-Präsidenten. Halbjährlich wechseln sich die Bundesländer in der Vorsitzführung des Bundesrates ab. Präsident ist, wer vom jeweiligen Landtag an die erste Stelle gereiht worden ist. Aber welche Rolle spielt der Bundesrat?
DAS GESPRÄCH FÜHRTE ERNST GANSINGER
Der Präsident des Bundesrates führt den Vorsitz im Bundesrat. Ist das alles, was mit dieser Funktion verbunden ist? Gottfried Kneifel: Laut Verfassung leitet er die Sitzungen des Bundesrates. Er ist aber auch ein Sprachrohr der Bundesländer.
Ein Jugendlicher, dem ich vom Interviewtermin erzählte, sagte mir, frag’ ihn, wozu der Bundesrat überhaupt gut ist. Gottfried Kneifel: Der Bundesrat ist nach der Verfassung die Länderkammer. Er hat dafür zu sorgen, dass die Länder durch die Bundesgesetzgebung nicht benachteiligt werden. Diese Aufgabe muss besser vermittelt werden.
Auch die Nationalräte sind Mandatare ihrer Region. Warum können die nicht diese Föderalismus-Ombudsfunktion wahrnehmen? Gottfried Kneifel: Das föderalistische Prinzip braucht eine Interessensvertretung. Der Nationalrat schaut auf das Bundesganze, wie man auch von den EU-Abgeordneten nicht einen nationalstaatlichen Blick erwarten soll, sondern einen europäischen.
Wann hat der Bundesrat erfolgreich für die Interessen der Bundesländer eingegriffen? Gottfried Kneifel: Alleine durch seine Existenz werden Bundesgesetze nicht so zentralistisch formuliert. Der Bundesrat hat bei Beeinträchtigungen der Interessen der Bundesländer ein absolutes Vetorecht. Das ist ein Drohkapital. Außerdem kann er Ministern vor EU-Ratssitzungen Verhaltensregeln mitgeben.
Gibt es für dieses Recht eine Praxis? Gottfried Kneifel: Es ist üblich, dass sich vor EU-Sitzungen der Bundesrat mit den österreichischen Verhandlern berät. Gewicht hat der Bundesrat auch dadurch, dass ein Drittel der staatlichen Kammern aller 25 EU-Staaten eine Gesetzesmaterie als nationalstaatliche Angelegenheit bewerten kann. Dann muss die EU das Thema an die Mitgliedsländer zurückgeben. Der Bundesrat hat eine Scharnierfunktion zwischen den Regionen und Brüssel.
Wie funktioniert das Schanier? Gottfried Kneifel: Zum Beispiel beim Eisenbahn-Gesetz. Für die europäische Infrastruktur, also das Schienennetz, ist Brüssel zuständig. Die Ausbildung des Fahrpersonals wird national geregelt.
Was sind wichtige Ziele Ihrer Präsidentschaft? Gottfried Kneifel: Ich werde im September eine Europakonferenz einberufen, zu der erstmals alle österreichischen Akteure der Europa-Politik eingeladen sind. Denn Vernetzung ist wichtig. Wichtig ist mir auch die Nachbarschaftspflege. Ich werde eine Reihe von Nachbarstaaten besuchen. Außerdem geht es mir um das Bild des Abgeordneten. Die repräsentative Demokratie braucht Repräsentanten, die vermitteln, was Staat ist. Der Staat braucht auch Gesichter!
Sie betonen den Föderalismus. Braucht Österreich wirklich neun Bundesländer? Gottfried Kneifel: Ich halte überhaupt nichts von der Diskussion um die Verringerung der Bundesländer. Denn das Bundesland gibt Heimat und stiftet Identität. Gerade in EU-Zeiten gewinnen die Regionen an Bedeutung. Föderalismus garantiert Bürgernähe.
ZUM THEMA
Bundesrat
Erstmals wurde vor dem Parlament in Wien am 3. Juli neben der Österreichfahne eine Bundesländerfahne – die oberösterreichische – gehisst. Dies regte Gottfried Kneifel an. In Zukunft wird mit dem Vorsitz auch die Bundesländerfahne wechseln.Seit März 2000 ist der 58-jährige Ennser Gottfried Kneifel eines der elf oö. Mitglieder des Bundesrates. Insgesamt zählt der Bundesrat 62 Mitglieder. Die Bundesratsmitglieder werden nach dem Stärkeverhältnis der Parteien von den jeweiligen Landtagen entsendet. Wie viele pro Bundesland – das hängt von der Bevölkerungszahl ab. Gottfried Kneifel ist ÖVP-Mandatar.