Serie zur „Schöpfungszeit“ – Teil 4: Von der guten Schöpfung und einer als bedrohlich und unvollendet erlebten Wirklichkeit
Ausgabe: 2006/39, Schöpfungszeit, Verantwortung, Schöpfung, Spaller, Freiheit, Gut und Böse, Arbeit,
28.09.2006 - Christina Spaller
Jetzt, da sie fähig sind, Gut und Böse zu erkennen, da sie in Freiheit entscheiden können, müssen die Menschen auch die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Ein friedvolles Zusammenleben in einem wohlgestalteten Garten – in Wohlgefallen hat Genesis 2 geendet, ein Bild für ein erfülltes Leben. Ein Abbild der realen Welt wird am Ende des dritten Kapitels dastehen, eben so, wie sie in ihrer Unvollendetheit und Bedrohlichkeit erlebt wird. Die Arbeit bereitet Mühsal, anstelle der köstlichen Baumfrüchte sind die Früchte des Feldes zu essen. Die Gleichwertigkeit der Geschlechter ist zugunsten des Mannes aufgelöst. Die beschriebene Herrschaft über die Frau ist nicht Teil der Schöpfungsordnung, sondern ein Spiegel der erlebten Wirklichkeit. Feindschaft kennzeichnet das Verhältnis zwischen Tieren und Menschen, wenn auch die Menschen stärker sind. Auch das Verhältnis der Menschen untereinander und das Verhältnis mit GOTT ist aus dem Lot gekommen. Das satte Leben im Garten ist Vergangenheit, der Garten verschlossen. Nachdem in Genesis 2 die Anfänge geschildert wurden, kommt Genesis 3 in der Gegenwart an. Was ist geschehen?
Adam, Eva und die Schlange. Eine sprechende und schlaue Schlange tritt auf. Sie öffnet der Frau die Augen, dass sie mit den verbotenen Früchten bessere Lebensmöglichkeiten verbindet. Die Schlange verspricht, die Frau werde sein wie Gott und Gut und Böse erkennen. Ob dadurch in der Frau Misstrauen gegen Gott geweckt wurde, wird nicht gesagt. Aber der Baum rückt ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und verlockt dazu, klug zu werden. Hier präsentiert der Text einen klassischen Versuchungsvorgang. Etwas, das nicht notwendig zu einem guten Leben gehört, wird so in Szene gesetzt, dass das Glück vom Haben dieses Etwas abzuhängen scheint. Die Frau nimmt nicht nur für sich, sondern gibt auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er isst. In unmittelbarer Folge gehen beiden die Augen auf, der Schleier ist zerrissen und sie erkennen ihre Tat. Herausgefallen aus der Unbedarftheit des Anfangs beginnen sie, sich notdürftig zu bekleiden und voreinander zu schützen. Als GOTT einherschreitet, verstecken sie sich. GOTT ruft den Adam, der aus seiner Enttäuschung und aus der neuen Sicht der Welt heraus antwortet. Eine Ahndung der Tat beginnt. Adam schiebt die Verantwortung auf die Frau, die Frau entledigt sich ihrer mit Verweis auf die Schlange. Letztendlich behaupten beide, sie wären Opfer anderer Stimmen und ihre Tat entschuldbar. Doch es gibt kein Zurück in den ursprünglichen Zustand. Jetzt, da sie fähig sind Gut und Böse zu erkennen, ist es auch an ihnen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Es folgen die so genannten Schuldsprüche. Sie verweisen auf die erlebte Wirklichkeit. Dass das Leben in der Welt mühevoll und beschwerlich ist, liegt nicht in der Schöpfung begründet, sondern im Handeln der Menschen. Mit der Erkenntnis von Gut und Böse haben sie sich die Freiheit der Entscheidung erstritten. Sie sind ein Stück erwachsen geworden und für das Positive und das Negative verantwortlich, das in ihrem Leben und in ihrer Welt passiert.
GOTT achtet die freie Entscheidung. Die Freiheit zu entscheiden erhöht den menschlichen Handlungsspielraum. Gleichzeitig nimmt GOTT diese Entscheidungen ernst, indem er die möglichen negativen Folgen nicht einfach ausradiert. Die Verantwortung kann nicht auf andere – letztlich auf GOTT – abgeschoben werden. Am Ende des Textes müssen die Menschen den Garten verlassen. Sie sind herausgefallen aus dem ursprünglichen Zustand. Bevor sie in die Welt hinausgehen, bekleidet GOTT sie. Anstelle der notdürftig zusammengehefteten Feigenblätter hüllt GOTT sie in Röcke aus Fellen, die einen größeren Schutz bieten in der Unwirtlichkeit der Welt jenseits des Gartens. Was tun wir mit diesem Text heute? Ein Garten ist angelegt, eine gute Welt ist möglich, im Kleinen wie im Großen. Es ist an den Menschen, die in der Schöpfung angelegte gute Geordnetheit zu leben. Sie können unterscheiden zwischen Gut und Böse. Sie haben die Freiheit der Entscheidung.