„Seit ich für meine Feinde bete, bin ich ein anderer Mensch“, bekommt Bischof Franjo Komarica von Banja Luka immer wieder zu hören. Am 23. Jänner war er Gast bei der Thomasakademie im Linzer Priesterseminar. Von der Politik erwartet er sich Solidarität für die bedrängten Katholiken – und er sieht Versöhnung als erste Aufgabe der Kirche.
Wie ist die Lage in Ihrer Diözese Banja Luka elf Jahre nach dem Friedensschluss von Dayton? Bischof Komarica: Dayton hat das Recht des Stärkeren gefestigt. Den Schwächeren – in diesem Fall den Katholiken – wurden nicht einmal ihre im Krieg gewaltsam weggenommenen Dörfer zurückgeben. Auch die von der EU initiierten Hilfsprogramme für die Rückkehr der Vertriebenen hatten nur zwei der drei Völker vorgesehen, nämlich die muslimischen Bosniaken und die bosnischen Serben. Die bosnischen Kroaten, die Katholiken sind, kommen in diesen Programmen nicht vor. Und das ist Unrecht.
Zurück in die Zeiten des Krieges: Angst um das nackte Überleben, Vertreibung, Morde ... Haben die Kriegsjahre Ihre Art und Weise zu glauben verändert? Ja, durch die Hilfe, die wir – zwar ungenügend aber doch – von der Weltkirche erfahren haben, ist unser Horizont weiter geworden. Während der kommunistischen Herrschaft in Jugoslawien waren wir als Kirche sehr isoliert, nun haben wir die Weite der katholischen Kirche entdeckt. Es ist das Bewusstsein gewachsen, dass auch wir zur Weltkirche gehören und offen sein sollen für die Anliegen der Gläubigen auf der ganzen Welt. Das ist eine echte Bereicherung. Dann gibt es noch eine neue Sicht auf die Erlösungslehre.
Das heißt? Christus ist der Retter aller Menschen. Wir sind deswegen verpflichtet, unseren Nachbarn, die nicht Katholiken sind, auch Christus und seine Heilsbotschaft möglichst glaubwürdig anzubieten. Nicht nur in der Predigt, sondern im praktischen Leben. Wir stellen fest, dass viele Nichtkatholiken kommen und bei uns Hilfe suchen. Nicht zuletzt wollen Atheisten, Muslime und Serben ihre Kinder in unsere katholischen Schulen schicken.. Wir versuchen dort glaubwürdig den Menschen zu zeigen, was das Wertvollste in der katholischen Kirche ist: den anderen als anderen zu akzeptieren. Das spricht die Menschen an. Der Hass ist eine unglaublich starke Macht, aber die Liebe ist stärker.
In Ihrer Situation war und ist das Gebot der Feindesliebe eine sehr konkrete Herausforderung. Predigen Sie darüber? Selbstverständlich. Ich habe damit noch währen des Krieges begonnen. Und zwar fragte ich die Menschen: „Könnt ihr noch ein Ave Maria beten?“ Die meisten nickten und sagten: „Ja“. Dann fragte ich weiter: „Könnt ihr das Ave auch für die beten, die euch vertrieben haben, die eure Häuser zerstört haben?“ Da haben sie gestöhnt und gesagt: „schwer“. Aber ich habe sie ermuntert, es zu tun. Und was die Menschen dabei erfahren haben, war eine wahre Entdeckung. Viele sagten: „Seit ich für meine Feinde bete, bin ich ein anderer Mensch: Ich bin gesünder, ich bin friedlicher, ich kann mich der Fügung Gottes überlassen.“ Diese Versöhnungsarbeit und die geistige Erneuerung ist die allererste Aufgabe der Kirche. Die materielle Erneuerung sollte der Staat tun. Er tut es nicht, deswegen müssen wir von der Kirche das auch tun. Aber unser Beitrag muss die Versöhnung sein. Denn zu einer – notwendigen – wahrhaften Versöhnung gibt es keine Alternative.