Das Verbot einer Vollverschleierung in der Öffentlichkeit – wobei es in der Diskussion eigentlich nur um die Burka und den Niqab muslimischer Frauen geht – könnte bald auch in Österreich eingeführt werden. Wie in anderen Ländern müsste solch ein Verbot religionsneutral formuliert sein. Belgien, Frankreich oder das Tessin in der Schweiz kennen das „Burka-Verbot“ bereits. Die Debatte in Österreich läuft wie auch in anderen Staaten sehr emotional ab. Aktuelle Umfragen deuten auf eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung für das Verbot hin.
PRO: Hinter Gittern
Die Möglichkeiten islamischer Bekleidung für die Frau reichen vom „Kopftuch“, das zwar so heißt, aber keines ist, bis zur ultimativen Form der Burka. Die Frau, die dieses Kleidungsstück – wenn man es als solches bezeichnen will – trägt, bekommt die Welt nur durch ein vergittertes Fenster zu sehen. Nicht durch Zufall hat das eine Ähnlichkeit mit einem Gefängnis. Sie soll nicht nur nicht gesehen werden, sondern auch von der Welt sowenig wie möglich mitbekommen.
Das kulturelle Verständnis, das dem zugrundeliegt, lässt sich vielleicht verstehen, wenn man der Burkaträgerin das männliche Pendant zur Seite stellt, mit dem zusammen sie üblicherweise auftritt. Es ist der junge Macho in Schlapfen oder Turnschuhen, kurzer Hose und Ruderleiberl, der für sich jede Freizügigkeit in Anspruch nimmt, die er seiner Frau oder Begleiterin nicht gewährt. Die beiden gehen in ein Kaffeehaus in Wien oder Zell am See und erwarten, dort vom Ober im schwarzen Smoking bedient zu werden. Ein Bewusstsein, dass sich ihrer beider Aufmachung dort vielleicht nicht gehört, fehlt ihnen.
Gegengesellschaft
Die totale Verschleierung soll in Europa nicht deshalb verboten werden, weil eine „offene Gesellschaft offene Gesichter“ braucht, wie manche Befürworter des Verbots argumentieren. Auch eine „offene Gesellschaft“ gibt niemandem einen Anspruch darauf, das Gesicht eines anderen in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber die Verschleierung in Europa zu akzeptieren, würde bedeuten, das politische Projekt einer Gegengesellschaft zu tolerieren, „die vor allem auf der Unterwerfung der Frau basiert“, wie es der französische Ministerpräsident Manuel Valls formuliert. Gegner eines Verbots kommen gern mit der Freiwilligkeit der Entscheidung der Frau und mit der Religionsfreiheit. Aber wer will feststellen, was in der geschlossenen Welt islamischer Familienverhältnisse freiwillig ist? Und wenn man jede Äußerung von Kultur und Religion unter Schutz stellt, muss man nicht nur die Burka zulassen, sondern auch Verwandtenehen und die arrangierte Kinderheirat.
Dr. Hans Winkler ist „Presse“-Kolumnist und war Vorsitzender des Verbandes Kath. Publizistinnen und Publizisten Österreichs.
CONTRA: Selbstermächtigung statt Gesetz
Ich schreibe diesen Text in einer Jahreszeit, in der ich mir die Vollverschleierung von Frauen besonders anstrengend vorstelle, weil sie wenig frische Luft an die Haut heranlässt. Die Bewegungsfreiheit wird sowieso beeinträchtigt. Mir ist aber die Burka-Verbotsdebatte zu seicht. Es geht bei dieser Auseinandersetzung im Grunde genommen nicht um die Frauen, denn die Zahl derer, die es betrifft, ist in Österreich minimal – weil Touristinnen ja ausgenommen werden sollen, was eine doppelbödige Moral zeigt. Es geht sichtlich um ein Machtspiel zwischen verschiedenen männlich geprägten Konzepten von Frauenschönheit und Zugriffsrechten auf Frauen. Ein Burka-Verbot bedeutet wiederum Machtausübung über die Betroffenen und ist daher sinnlos, das heißt, es führt nicht aus dem Muster der Machtausübung über Frauen heraus.
Nicht Außenstehende
Ich lehne die Burka bzw. den Niqab als Ausdruck von Geschlechterungleichheit ab, allerdings einen unter vielen, aber ich halte nichts von einem gesetzlichen Verbot. Denn es muss uns darum gehen, Frauen zu ermächtigen und nicht, sie aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Die Diskussion über Sinn, Funktion und Konsequenz ihrer Verschleierung müssen muslimische Frauen miteinander führen und nicht Außenstehende. Gesetzlich vorgeschriebene Schritte für eine Identifizierung von Personen, wie etwa vor Gericht oder im Zuge polizeilicher Verfahren, sind natürlich zu gewährleisten bzw. entsprechenden Anordnungen ist von Seiten der Trägerin Folge zu leisten. Was von außen in dieser Debatte getan werden kann, ist – wie es der Katholischen Frauenbewegung generell ein großes Anliegen ist – Frauen in ihrer Selbstermächtigung zu stärken, was immer aus dieser hervorgeht (ökonomische Unabhängigkeit, Unabhängigkeit von der Verschleierung …), Frauen auf dem Weg zu begleiten, ihre Freiheit in Verantwortung zu leben. Einander auf Augenhöhe und in sensibel geführten Gesprächen zu begegnen, dazu lade ich Einheimische und Zugewanderte ein.
Veronika Pernsteiner M.A. ist Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.