Seit einem Jahr bewegt die Flüchtlingskrise Europa. Österreich zieht die „Notbremse“ gegen die Not. Bleibt die Menschlichkeit in einer neuen sozialen Härte stecken?
Ausgabe: 2016/37
13.09.2016 - Matthäus Fellinger
Es war am Montag, den 14. September 2015. Da rückten Oberösterreich und Salzburg in das Zentrum der Flüchtlingskrise. Der Zugverkehr nach Deutschland wurde vorübergehend eingestellt. Zwei Wochen zuvor: Von 4. bis 6. September haben rund 15.000 Flüchtlinge die Grenze von Ungarn nach Österreich passiert. Ein Szenario, das sich nun wochenlang wiederholen sollte. Für die meisten Flüchtlinge war Österreich „nur“ Durchzugsland. Rund 97.000 Flüchtlinge suchten dennoch hier um Asyl an. Die meisten wollten nach Deutschland. Die europäische Solidarität blieb weitgehend aus.
Solidarität und Besorgnis
Beides war zu beobachten: eine enorme Solidaritätswelle in vielen Gemeinden und Pfarren, die Quartiere organisierten und vor allem die weitgehend ehrenamtlich geleistete Arbeit der Integration übernahmen. Auf der anderen Seite: eine massive Ablehnung von Flüchtlingen mit der Forderung, die Grenzen dichtzuhalten. Die Ereignisse haben auch Oberösterreich verändert. Die Landtagswahlen vom 27. September 2015 brachten eine massive Kräfteverschiebung in der Parteienlandschaft – und eine Landesregierung mit einem schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen. Mit einer erst letzte Woche in Begutachtung gegebenen „Notverordnung“ will die Bundesregierung erreichen, dass über eine jährliche Höchstzahl von 37.500 Flüchtlingen im Jahr weiteren Flüchtlingen der Zutritt ins Land verwehrt werden kann. Die Sicherheitslage, Kapazitätsgrenzen am Arbeitsmarkt und Kostengründe werden angeführt.
Caritas: Zusammenhalt stärken
„Wir bedauern die immer wieder neuen Vorstöße zu Zwangsmaßnahmen und Sanktionen sowie die Debatte um die Kürzung von Sozialleistungen“, sagt Caritas-Direktor Franz Kehrer. Die Caritas täte sehr viel dazu, die Integrationsarbeit voranzutreiben.
Ziel von staatlicher Politik sollte – so Kehrer – die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Sicherung des sozialen Friedens und die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit sein sein. Diese Aufgabe könne nicht mehr oder weniger einzig den NGOs aufgelastet werden, die dafür dann auch noch Vorwürfe von Teilen der Politik und der Bevölkerung einstecken müssen.
Viel getan zu haben, nimmt Landeshauptmann-Stellvertreter Thomas Stelzer auch für Oberösterreichs Politik in Anspruch. Aber, ergänzt er: „Für mich ist aber auch klar, dass es eine Grenze des Machbaren und der Belastbarkeit gibt. Noch einmal 90.000 Asylanträge wie 2015 werden wir nicht verkraften können.“ Das entspräche den gesamten Asylanträgen in den USA und Kanada zusammen. Es brauche eine europäische Lösung und mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union. Er plädiert für eine „Vernunftkultur und ein Ende des Schwarz-Weiß-Denkens“, es brauche eine ehrliche Debatte über das Thema „Integration“.
Verbindung schaffen
Besonders herausgefordert vom Flüchtlingsstrom waren im letzten Jahr die grenznahen Gebiete nach Deutschland. Für Abt Martin Felhofer ist das einer der Gründe für einen Erfahrungsaustausch zum Thema „Integration“. Unter dem Titel „Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ findet am 21. September der „Dialog Stift Schlägl“ statt. Vor allem die Ehrenamtlichen, die sich in der Region engagieren, sollen dadurch gestärkt werden in ihrem Einsatz. Angst kann man abbauen durch Dialog, ist Abt Felhofer überzeugt. Nach dem ungeklärten Brandanschlag auf das Asylhaus in Altenfelden scheint das auch notwendig. „Wir wollen das viele Gute stärken", sagt Felhofer – und verbindend in der Bevölkerung wirken.
Dialog Stift Schlägl
Das Zusammenwirken von Staat, Kirche und Flüchtlingen ist das Thema des „Dialogs Stift Schlägl“. Mit Landeshauptmann-Stellvertreter Thomas Stelzer, Franz Kehrer, Direktor der Caritas OÖ, und Sevinc Allahverdiyeva, Caritas-Mitarbeiterin in der Flüchtlingshilfe. Die KirchenZeitung und die Katholische Privat-Universität Linz sind Mitveranstalter.
- Mittwoch, 21. September 2016, Stift Schlägl. 17.30 Uhr: Vesper in der Stiftskirche, 18 Uhr: Dialog in der Stiftsbibliothek. Der Eintritt ist frei.