Mehr als ein Jahrhundert wurde sie als besondere Reliquie verehrt, in den letzten Jahrzehnten wenig beachtet, bis sie in den vergangenen Monaten für Aufregung sorgte: die Blutmonstranz von Pfarrkirchen. Die Pfarre bemüht sich nun um eine Aufarbeitung des zum Problem gewordenen Erbes.
Eine ganze Kirche wurde Mitte des 18. Jahrhunderts gebaut, um einem kleinen Stück Stoff die gebührende Ehre zu geben. Bei dem wenige Quadratzentimeter großen Linnen handelte es sich um eine für die Barockzeit außergewöhnliche Reliquie: um Jesu Blut, das aus einer Hostie getropft sein soll. Die De-ckenfresken des Pfarrkirchner Gotteshauses und mehrere Bilder haben daher die Heilsbedeutung des kostbaren Blutes Jesu zum Thema. Die Reliquie selbst geriet seit dem 2. Vatikanischen Konzil, das neue Akzente in Theologie und Spiritualität setzte, in den Hintergrund. Der Bedeutung der Kirche als herausragendes Werk des Rokoko tat dies keinen Abbruch. Die vielen Besucher/innen sind von der Kunst und auch von der Atmosphäre des Gotteshauses fasziniert.
Unselige Verbindung. Im Zuge der Erstellung des Pfarrkirchner Kulturführers löste die Blutmonstranz aber eine heftige Diskussion aus. Ihr Ursprung wird dort mit einem Hostienfrevel in Zusammenhang gebracht. Liest man den ersten greifbaren Kirchenführer vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist dort ausdrücklich von einem jüdischen Hostienfrevel um 1500 die Rede, der Führer von 1928 nennt den Hostienfrevel von Deggen-dorf/Bayern als Ursprung der Reliquie. Dort wurden 1338 die jüdischen Bewohner/innen der Stadt ermordet. Als Rechtfertigung für diese Bluttat entstand im 15. Jahrhundert die Legende der Hostienschändung – und eine blühende Wallfahrt. Welchen historischen Ursprung auch immer die Blutmonstranz von Pfarrkirchen haben mag, durch die Verbindung mit einem jüdischen Hostienfrevel wird sie so zu einem Symbol des „christlichen Antijudaismus“, der zutiefst unchristlich ist. Augrund fehlender Studien kann man zur Zeit nur sagen: Entstehungsort und -zeit der Reliquie sind unbekannt. Sie war dem ersten historisch greifbaren Besitzer, P. Rupert Langpartner (+1746) so kostbar, dass er als Pfarrer von Pfarrkirchen die Kirche „vom kostbaren Blut“ errichtete. Die bald einsetzenden Wallfahrten zeigen, dass die Monstranz über die Pfarrbevölkerung hinaus für viele Menschen von großer religiöser Bedeutung war.
Keine Verehrung. Die weiteren Pfarrkirchner Kirchenführer des 20. Jahrhunderts erwähnen allesamt „Deggendorf“, erst P. Alois Mühlbachler verwendet in seiner Beschreibung der Kirche (1998) den Ort nicht mehr. Die neuerliche Erwähnung von Deggendorf im Kulturführer 2007 war für die Pfarre Anlass einen Schnitt zu machen. Die Pfarre wird die Blutmonstranz nicht mehr verehren, auch nicht mehr öffentlich ausstellen. Weiters soll für die Heilig-Blut-Kapelle eine neue Bezeichnung gefunden werden.
Traditionen. Da seit dem 2. Vatikanischen Konzil und vor allem durch das persönliche Zeugnis von Papst Johannes Paul II. Antijudaismus in der Kirche keinen Platz mehr haben kann und darf, war der Schritt der Pfarre konsequent – und auch überfällig. Das Seelsorgeteam möchte aber jene Gläubigen, bei denen die Verehrung der Monstranz von Kindheit an Teil ihres geistlichen Lebens war und ist, nicht vor den Kopf stoßen. Wer sich durch das Vorgehen verletzt fühlt, den bittet Franz Pauzenberger mit dem Seelsorgeteam Kontakt aufzunehmen. Auch die Sorge der Gruppe der „Heimatpfleger“ kann Pauzenberger zerstreuen, die befürchtete, dass die Blutmonstranz aus Pfarrkirchen wegkommt: Sie bleibt selbstverständlich im Besitz der Pfarre und vor Ort, wird aber nicht in der Kirche aufbewahrt.
Stichworte
- Hostienfrevel. Seit dem Mittelalter taucht das Delikt der Hostienschändung auf – im Zusammenhang mit Hexenprozessen und vor allem mit Juden. Sie wurden bezichtigt konsekrierte Hostien zerstochen und so Christus nochmals gemartert zu haben. Bei den Schändungen begannen die Hostien auf wundersame Weise zu bluten. Die zerstochenen Hostien oder das Leinen, auf denen Blut getropft ist, wurden zu Reliquien und vielfach Ziel von eucharistischen, antijüdisch geprägten Wallfahrten (wie z. B. in Deggendorf/Bayern). Historisch sind alle bekannten Anschuldigungen des jüdischen Hostienfrevels völlig unhaltbar, stellt das Lexikon für Theologie und Kirche klar. Die Verleumdungen dienten als Vorwand oder als Rechtfertigung für Mord und Verfolgung von Juden.
- Blutmonstranz. Für Stoffstücke, auf die Blut von Hostien getropft sein soll, wurden wertvolle „Blut“-Monstranzen angefertigt. So konnten die Gläubigen diese besonderen Reliquien verehren. Manche Blutmonstranzen führen ihren Ursprung oft auf Priester zurück, die an der wirklichen Gegenwart Jesu in der Hostie zweifelten und wo bei der Wandlung Blut aus der Hostie tropfte. Andere Monstranzen wie die von Pfarrkirchen werden mit Hostienschändung in Verbindung gebracht.