100. Todestag Kaiser Franz Joseph I. zwischen Frömmigkeit und Kirchenpolitik
Laut seinem Titel war er eine „Apostolische Majestät“ und Kaiser „von Gottes Gnaden“: Als Franz Joseph I. am 21. November 1916 starb, endete ein nicht spannungsfreies Wechselspiel zwischen Thron und Altar.
Ausgabe: 2016/46
15.11.2016 - Heinz Niederleitner
Messbesuch, regelmäßige Beichte und Rituale wie die jährliche Fußwaschung für zwölf ältere Männer durch den Kaiser am Gründonnerstag: War Franz Joseph I. ein „Musterkatholik“? Zweifellos war er persönlich von einer tiefen, einfachen Frömmigkeit geprägt. Schon unter seinen Erziehern hatten sich betont katholische Männer und Priester befunden. Einer von ihnen, Joseph Othmar von Rauscher, sollte später dann auch Erzbischof von Wien und Kardinal werden.
Allerdings muss man bei Franz Joseph I. zwischen persönlichem Glauben und Kirchenpolitik unterscheiden. Seine Briefe an den Papst unterschrieb er zwar als „Eurer Heiligkeit gehorsamster Sohn“. Doch er war der letzte Monarch, der das Ausschlussrecht bei der Papstwahl praktizierte: Beim Konklave 1903 ließ er verkünden, dass er den aussichtsreichen Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla von der Papstwahl ausschließen wolle. Das hatte mit dessen profranzösischer Haltung zu tun. Mitunter wird auch als Grund für die kaiserliche Antipathie erwähnt, Rampolla habe nach dem Selbstmord von Kronprinz Rudolf das kirchliche Begräbnis verhindern wollen. Er wurde jedenfalls nicht Papst, aber der dann gewählte Pius X. schaffte das Ausschlussrecht ab.
Machtstütze
Kirchliche Personalpolitik gehörte auch abseits dieses Skandals zur Aufgabe des Kaisers und zu seinen Konflikten mit Rom: In der Monarchie wurden Bischöfe mit päpstlicher Bestätigung vom Kaiser ernannt (nur in Salzburg und Olmütz hatte das Domkapitel alte Rechte). Die Bischöfe sollten neben dem Militär und den Beamten eine wichtige Stütze des Vielvölkerstaates sein, weil sie theoretisch eine „übernationale“ Position hatten. Nur blieb das in manchen Fällen ein frommer Wunsch.
Für die erhoffte Unterstützung kam Franz Joseph in der Zeit, da er als absoluter Monarch herrschte, der Kirche weit entgegen: Das Konkordat von 1855 räumte ihr viele Rechte ein, insbesondere im Schulwesen und im Eherecht. Der Vertrag war schon damals nicht mehr zeitgemäß. Nach verlorenen Kriegen war Franz Joseph schließlich gezwungen, als konstitutioneller Monarch auf Einfluss zu verzichten. Von den Liberalen wurde dann in den Maigesetzen 1868 und 1874 der Kircheneinfluss im Staat beschnitten. Der Papst nannte die Gesetze „verwerflich, verdammenswert und abscheulich“. Der Linzer Bischof Rudigier verfasste einen so scharfen Hirtenbrief, dass er wegen Störung der öffentlichen Ruhe zu 14 Tagen Kerkerhaft verurteilt, vom Kaiser aber begnadigt wurde. Franz Joseph hat diese Gesetze – mit kleinen Ausnahmen – nicht verhindert. Nach dem I. Vatikanischen Konzil stimmte er auch der Kündigung des Konkordats zu.
Schirmherr
Damals verstand sich die römisch-katholische Kirche als allein seligmachend. Doch der Katholik Franz Joseph herrschte über einen Vielvölkerstaat, in dem es neben dem dominierenden Katholizismus auch andere Konfessionen und Religionen gab: verschiedene christliche Kirchen, das Judentum und mit der Okkupation/Annexion Bosniens auch Muslime. Den Nichtkatholiken wurden gesetzlich Rechte gewährt, dafür wurde Loyalität erwartet. Der Kaiser trat als Schirmherr aller Religionen auf: Bei seinem Jerusalem-Aufenthalt 1869 besuchte er zum Beispiel neben verschiedenen Kirchen auch eine Synagoge und das muslimische Heiligtum am Tempelberg.
Tod
Persönlich blieb Franz Joseph stets gläubig, auch wenn außereheliche Beziehungen nicht dazu passten. Aus heutiger Sicht wird man sich zudem an seiner Rolle beim Kriegsausbruch 1914 stoßen. Er selbst starb zwei Jahre vor der Niederlage und dem Ende der Monarchie. Dass der Hofpfarrer von einem „schönen christlichen Tod“ sprach, gehört schon zum Mythos des Kaisers, der sich als „Sohn der Kirche“ sah, die er aber politisch in die Pflicht nahm.«