Von den „Klosöschealla“ in Lustenau über das „Frautragen“ etwa in Tirol und Salzburg bis hin zum „Berigl“ Perchtenbrauch im Ausseer Land – Reinhard Kriechbaum führt in seinem neuen Buch durch die faszinierende Welt der österreichischen Weihnachtsbräuche.
„Ein Brauch lebt, oder er lebt nicht“, sagt Reinhard Kriechbaum. In seinem Werk wollte der Volkskundler und Kulturjournalist unter anderem aufzeigen, dass Bräuche einem stetigen Wandel der Zeit ausgesetzt sind; dass sie kommen und gehen, sich entwickeln und verändern oder „schlicht und einfach erfunden werden“. Ein Musterbeispiel dafür sei der Adventkranz. Die Idee dazu hatte der deutsche evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern (1808–1881). „Der Initiator des Diakonie-Gedankens hängte im Jahre 1839 in einem alten Hamburger Bauernhaus, wo er sich um sozial gefährdete Jugendliche kümmerte, einen hölzernen Leuchter mit Kerzen auf. Daraus entwickelte sich im späten 19. Jahrhundert der Adventkranz“, so Kriechbaum.
Uralte Wurzeln sind rar. Nicht selten hält sich in den Köpfen der Menschen die Vorstellung, dass Bräuche uralte Wurzeln haben. Bei seinen Recherchen zum Buch hat Reinhard Kriechbaum die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Gepflogenheiten „30, 40 oder 50 Jahre alt sind, aber nicht älter.“ Natürlich gebe es auch Ausnahmen, wie etwa das Brauchtum rund um die Perchten, die es in einer unendlichen Vielfalt gibt – zum Beispiel die „Pinggalperchten“ im Zillertal. „Bei den Perchten handelt es sich wirklich um alte Figuren, die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen, von denen aber auch antike Quellen vorhanden sind.“
Hausbräuche. Persönlich sind für Reinhard Kriechbaum die Hausbräuche sehr wichtig. Die spielen sich zwischen den Nachbarn ab. Dazu gehören etwa das „Frautragen“ (siehe Randspalte), die Glöckler in Ebensee, die seit kurzem auch zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe zählen, oder der „Berigl“ Perchtenbrauch im Ausseer Land. Die „Berigln“ sind „in Fetzen gehüllte Figuren, die Bauernfamilien besuchen und mit dem Besen symbolisch durch die Stube fegen. Dahinter stecken die so genannten Kontrollbräuche. In früheren Zeiten gab es keine Fürsorge. Da war es wichtig, dass ab und zu Fremde ins Haus gekommen sind, um zu schauen, wie leben die Kinder dort, die Alten und die Behinderten, die es auf vielen Bauernhöfen gegeben hat. Und wenn jemandem etwas negativ aufgefallen ist, kam es nicht selten vor, dass der Pfarrer darüber informiert wurde mit der Bitte, nach dem Rechten zu sehen. Heute ist es oft so, dass sich Nachbarn gar nicht kennen. Da wäre es durchaus vonnöten, die Hausbräuche wieder mehr zu fördern.“
Altes geht, Neues kommt. Hinter den Bräuchen stecke sehr oft eine Sehnsucht nach Ordnung, nach geregelten Zeitabläufen. „Das findet man in jeder Kultur, in jeder Altersstufe, in jedem sozialen Milieu“, so Kriechbaum. Geht etwas verloren, dann wird nach Neuem gesucht. „Bräuche sind nicht wie Denkmäler auf Sockeln. Die Dinge entwickeln sich und spiegeln eine Lebensform wider. Zum Beispiel das adventliche Zusammenkommen am Punschstand wäre in meiner Jugend undenkbar gewesen in der Form, wie das jetzt zelebriert wird. Es hat zwar Christkindlmärkte gegeben, aber man ist dort nicht hingegangen, um Punsch oder Glühwein zu trinken. Das ist jetzt völlig anders. Ich würde das mittlerweile aber auch unter Brauchtum stellen.“
Zur Sache
Herberge für Maria
Das „Frautragen“ wird von vielen Pfarren gefördert. (...) Den Advent hindurch wird ein Bild Marias auf die Reise geschickt, meist die Kopie eines Stichs oder die Fotografie eines Gemäldes. Jeden Abend wird es an eine Familie in der Nachbarschaft weitergereicht. Die Frömmigkeit ist unterschiedlich, und so kann die Übergabe zu einer kleinen privaten Adventfeier werden, oder es kann bei einer kurzen, förmlichen Übergabe bleiben. (...)
Besonderen Reiz hat das „Frautragen“ im Salzburger Oberndorf. (...) 1934 fand dort der Lehrer Hermann Rasp bei einem Altwarenhändler ein Bild von Maria und Josef – und da kam ihm die Idee, seine Frau im Advent loszuschicken. Man sammelte einige Sängerinnen und fortan zog Klara Rasp mit der Gruppe von Haus zu Haus. Der Brauch hat nie aufgehört, obwohl er während der NS-Zeit verboten war. (...) In Michaelbeuern wird eine kleine Statue umhergetragen, auch im Salzburger Pongau und mancherorts in Tirol. Im Barock hat sich das „Frautragen“ als eigenständiger Brauch eingebürgert sozusagen als private Weiterführung von volksliturgischen Spielen. Die Novene vor Weihnachten, also die neun Abende vom 16. bis zum 24. Dezember, war der übliche Zeitrahmen fürs „Frautragen“. Eine beliebte Darstellung auf alten Holztafeln für diesen Anlass ist natürlich die „Maria gravida“, die schwangere Gottesmutter.
- Leseprobe aus dem Buch: „Weihnachtsbräuche in Österreich“ von Reinhard Kriechbaum. Verlag Anton Pustet 2010. Euro 24.