Ab dem 1. November – so sagt uns die Natur – sollen die Wurzeln der Heilpflanzen in der Natur bleiben. Sie dürfen nicht mehr ausgegraben werden. Menschen früherer Zeit haben in der Natur immer ein Bild für ihr eigenes Leben gesehen. In dieser Zeit ab dem 1. November sollten die Menschen mit ihren eigenen Wurzeln in Berührung kommen. Die christliche Tradition hat dieses Bild übernommen und christlich gedeutet. Sie hat auf den 1. November das Fest Allerheiligen gesetzt. Heilige, das sind jene Menschen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Sie sind unsere Wurzeln, aus denen wir leben sollen.
Fest der Hoffnung. Die Heiligen, derer wir am 1. November gedenken, stehen nicht nur für die von der Kirche heiliggesprochenen Frauen und Männer, sondern für alle, die uns im Glauben vorangegangen sind. Das hat die Kirche dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie am 2. November das Fest Allerseelen feiert. Sie bringt die Verstorbenen, die wir gekannt haben, in Verbindung mit allen Heiligen. Es ist kein Fest der Trauer, sondern des Vertrauens und der Hoffnung, dass die Verstorbenen, die wir nicht nur als vollkommene, sondern auch als brüchige und begrenzte Menschen gekannt haben, durch die Begegnung mit Gott im Tod verwandelt und heilig gemacht worden sind, dass sie in die Gestalt hineingewachsen sind, die Gott ihnen ursprünglich zugedacht hat. Jetzt kommt sie in ihrer Klarheit zum Leuchten.
Aus der Bahn geworfen. Die Psychologie sagt, dass eine der vielen Ursachen von Depression und persönlichen Krisen in der Wurzellosigkeit besteht. Wer keine Wurzeln hat, der gerät durch Kränkungen von außen oder durch die Desillusionierung von innen her leicht aus dem Gleichgewicht. Der Baum, der keine tiefen Wurzeln hat, verdorrt in Zeiten der Dürre. Uns Menschen geht es ähnlich, wenn wir – ohne tiefere Wurzeln zu haben – erkennen müssen, dass die Vorstellungen, die wir uns vom Leben gemacht haben, nicht mit unserer Wirklichkeit übereinstimmen.
Unser Vater. Die Feste Allerheiligen und Allerseelen möchten uns in Berührung bringen mit den Wurzeln unseres Lebens und mit den Wurzeln unseres Glaubens. Wir können das Vaterunser an diesen Festen einmal so beten, dass wir uns vorstellen, wie unsere Eltern und Großeltern dieses Gebet gebetet haben. Auch wenn ihnen vielleicht nicht immer voll bewusst war, was sie da beten, so hat dieses Gebet sie doch durch ihr Leben begleitet und sie auch in Zeiten der Krisen und Brüche getragen. Im Vaterunser sind wir denen, die uns nahe sind, verbunden, mit ihrer Glaubens- und Lebenskraft. Jetzt beten sie es als Schauende, während wir es als Suchende, Zweifelnde und doch irgendwie Glaubende beten. Im Beten kommen wir in Berührung mit unseren Wurzeln, damit unser Lebensbaum nie verdorrt, sondern immer mehr in seine eigentliche Gestalt hineinwächst.