Waltraud Futterknecht schließt ihr Dimbacher Kaufhaus (120 Quadratmeter Verkaufsfläche) am 30. Juni. Foto: KIZ / Ernst Gansinger.
Die starken Regionen nehmen den schwächeren Regionen auch noch Kaufkraft weg. Bis dass das letzte Kaufhaus zusperrt! – Dieses Schicksal will die Bevölkerung von Dimbach und St. Thomas am Blasenstein nicht einfach hinnehmen.
ERNST GANSINGER
Ende Juni sperrt in Dimbach wie in St. Thomas das letzte Kaufhaus zu. Käme da Katerstimmung auf, wäre es nicht verwunderlich. Doch Gemeindeverantwortliche, Bevölkerung und Regionalentwickler halten mit Optimismus dagegen: „Die Saat geht auf“ heißen zwei Vereine zur Dorfentwicklung, die in diesen Gemeinden die Hoffnung umsetzen. – Die Vereine führen die Geschäfte weiter.
Gleich wieder aufsperren
Am 30. Juni schließen die beiden Geschäfte. „Spätestens am Montag, 3. Juli sperren wir auf“, sagt Christoph Lettner vom Regionalbüro Strudengau 2000 plus. Diese LEADER Aktionsgruppe (EU) will Impulse zur nachhaltigen Entwicklung in der Region (16 Gemeinden) geben. Lettner engagiert sich für das Projekt. Die Vereine sollen vorerst drei Jahre die Geschäfte führen. In dieser Zeit soll ein Nachfolgemodell gefunden werden. „Wichtig ist, dass das Kaufhaus nicht stirbt“, sagt Rudolf Freinschlag, Amtsleiter der Gemeinde Dimbach.
Bevölkerung steht dahinter
Zur Informationsveranstaltung am 29. Mai sind mehr als 100 Dimbacher/innen in den Pfarrsaal gekommen. 50 haben spontan erklärt, auch finanziell einen Beitrag leisten zu wollen, damit ein Kaufhaus im Ort bleibt. Die Nahversorgung ist ein wichtiger Wert, für den sie sich einsetzen wollen. „Wenn es kein Kaufhaus mehr gibt, sind die Leute weg“, ist sich Freinschlag bewusst. Dem Kaufhaus kommt eine Schlüsselrolle zu, auch für die gesamte Wirtschaft im Ort. Daher ist es wichtig, ins Boot für die Sicherung der Nahversorgung auch die örtlichen Unternehmer zu holen, sagen Freinschlag und Lettner.
Nahversorgung, Nahtreff
Fünf Mitarbeiter/innen, unter ihnen ein Lehrling, werden im Dimbacher Vereins-Kaufhaus beschäftigt sein. Frau Futterknecht, die das Geschäft 38 Jahre geführt hat, freut es, dass die Mitarbeiterinnen die Arbeit behalten können. „Es taugt mir auch, dass ich weiterhin im Ort einkaufen kann. Denn mit dem Auto wohinfahren, ist nicht meins.“ Wie ihr geht es vielen – den alten Menschen oder den Jungfamilien ohne Zweitauto. „Die Saat geht auf“ weist über die Nahversorgung hinaus. Es soll auch ein Nah-Treff für die Bevölkerung sein. Und es sollen möglichst viele regionale Produzenten eingebunden werden. Lettner rechnet mit 15 bis 18 Lieferanten.
ZUM THEMA
Nahversorgung
Die Förderungen für die Nahversorgung müssen spürbarer werden, fordert Christoph Lettner vom Regionalbüro Strudengau. „Mit der derzeitigen Investitionsförderung von 15 % ist kein Geschäft zu retten.“
1.600 bis 1.700 Euro pro Jahr und Person werden durchschnittlich für die Grundversorgung ausgegeben. „Wenn davon 25 Prozent im Ort bleiben, ist das schon super.“ Das Dimbacher Vereins-Kaufhaus, kann eine schwarze Null schreiben, wenn 440.000 Euro Umsatz gemacht werden. Bei 1.100 Bewohnern hieße das 400 Euro Jahresumsatz pro Person.
Einer Untersuchung im Bezirk Kirchdorf zufolge verlieren Liegenschaften bis zu 38 % an Wert, wenn es im Ort keinen Nahversorger gibt, berichtet Amtsleiter Rudolf Freinschlag.