Wort zum Sonntag
Als die Urlauber:innen aus dem Zug ausgestiegen sind, zücken einige sofort ihre Handys, um die Landschaftsstimmung für Erinnerungsfotos einzufangen. Tatsächlich ist der blitzblaue Tag mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund ideal dafür. Für die Kirchenzeitung, die ebenfalls mit dem Zug angereist ist, ist der Anlass für den Trip in den südlichsten Teil Oberösterreichs jedoch nicht die eindrucksvolle Bergwelt, sondern der Besuch in der Pfarre Obertraun. Genauer: um sieben Frauen aus dem Pfarrgemeinderat, Pastoralassistentin Birgit Thumfart und Ministrantin Sophia zum Gespräch zu treffen.
Eine Besonderheit ist hier, dass der Pfarrgemeinderat seit mittlerweile rund zehn Jahren rein weiblich besetzt ist. Oder anders gesagt: Die Geschicke der Pfarren und die Gestaltung der Liturgie liegen in weiten Teilen in den Händen von Frauen, die sehr viel von ihrer Freizeit für ihr kirchliches Ehrenamt investieren. Wieso sie sich für die Pfarre so stark engagieren?
„Uns ist die Gemeinschaft wichtig, wenn wir das nicht tun, existiert die Pfarre nicht,“ sagt Sabine Eggenreiter, die in der Pfarre unter anderem für das Auf- und Zusperren der Kirche und die Sternsingeraktion zuständig ist. Und Pfarrgemeinderätin Gabi Steiner ergänzt: „Der Glaube versetzt Berge, als Mitarbeiterin in einer Pfarre spürt man das noch mehr.“ Sie war 20 Jahre als Wortgottesdienstleiterin tätig und ist damit auch ein Beispiel dafür, dass Frauen schon lange tragende Rollen in der Pfarre einnehmen.
Wenn eine Frau vorne am Altar stand und den Wortgottesdienst leitete, saß Pfarrer August Stögner beim Kirchenvolk in der Bank. Stögner, mittlerweile Altpfarrer, der aber die Pfarre immer noch als Priester unterstützt, hat dies schon bald gefördert. Er hat gewusst, dass er sich auf uns verlassen kann und seine Agenden guten Gewissens abgeben kann“, sind sich die Frauen einig.
Dass ausschließlich Frauen im Pfarrgemeinderat sind, hat sich dennoch einfach so ergeben, ohne dass ein spezieller Plan dahinterstand. Und: Natürlich gibt es Männer, die sich in der Pfarre Obertraun engagieren. „Sie tun dies eben eher anlassbezogen bei den pfarrlichen Events“, sagt Pfarrgemeinderätin Brigitte Ponsold.
Die weibliche Präsenz in der Kirche ist für die Obertrauner Bevölkerung längst selbstverständlich. Nur selten kommt es vor, dass Touristen die Kirche wieder verlassen, wenn sie bemerken, dass kein Priester die Messe feiert, sondern eine Frau Wortgottesdienst.
Neben der geballten Frauenpower ist die Größe der Pfarre sehr prägend. 750 Einwohner: innen hat Obertraun, davon sind jeweils etwa 250 katholisch bzw. evangelisch. Ökumene ist hier mehr als ein Schlagwort, die Gottesdienstzeiten der Evangelischen und Katholischen sind teilweise aufeinander abgestimmt. Katholische besuchen den evangelischen Gottesdienst und umgekehrt, so einfach ist das. Evangelisches Bethaus und katholische Kirche sind nur 100 Meter voneinander entfernt und durch ein Steinband am Weg verbunden, eine ökumenische Linie, die ein sichtbares Zeichen des Zusammenhalts ist.
Der Pfarrgemeinderat hat keine speziellen Unterausschüsse wie anderswo üblich, weil das bei der Größe der Pfarre wenig Sinn ergebe, wie die Frauen klarmachen. Es gelinge auch so, dass die vielen verschiedenen Aufgaben gut verteilt würden, erzählen sie beim Gespräch. „Wir tragen gemeinsam das Miteinander und teilen die Aufgaben gut auf“, sagt Pfarrgemeinderatsobfrau Rosi Platzl.
In Obertraun sei es auch okay, zu sagen, wenn eine Frau eine ehrenamtliche Aufgabe wieder abgeben müsse Der Aufwand bleibt aber so oder so hoch. „Man appelliert an das Verständnis der Familie“, sind sich die Frauen einig.
Während mit dem Zusammenhalt und der guten Gemeinschaft viele Probleme lösbar sind, stößt die Pfarre bei der finanziellen Situation bisweilen an ihre Grenzen. „Wir sind arm wie die Kirchenmäuse“, betont Brigitte Ponsold. Kreative Aktionen wie bemalte Steine, die Kirchenbesucher:innen mitnehmen können und für die freiwillige Spenden erbeten werden, sollen Geld einbringen.
Speziell für die anstehende Kirchensanierung ist das notwendig. Nicht zuletzt gilt es Schäden am Kirchenturm und an der Kirchentüre zu beheben. Da derzeit noch eine Finanzierungslücke von mehreren 10.000 Euro klafft, hoffen die Frauen des Pfarrgemeinderats auf großzügige Spender:innen, die sich der Pfarre und der Region verbunden fühlen.
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