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Trotz des sich abzeichnenden Zerfalls des afghanischen Staates hielt Österreichs Innenminister am Sonntag daran fest, dorthin abgelehnte Asylwerber/innen abzuschieben – ob das tatsächlich passiert, steht auf einem anderen Blatt. Selbst wenn man die Frage, wie man solche Abschiebungen humanitär rechtfertigen kann, außer Acht lassen würde, bliebe da ein Problem: Eine Abschiebung setzt einen Staat voraus, in den man abschiebt.
Doch was für ein Staat ist Afghanistan? Jüngst wurde in einer Zeitung die Frage aufgeworfen, warum die afghanischen Männer, die jetzt bei uns sind, nicht vor Ort für ihren Staat gegen die Taliban kämpfen. Nun, wahrscheinlich deswegen, weil nicht klar ist, was das für ein Staat sein soll. Die größte, halbwegs einheitliche Bevölkerungsgruppe in Afghanistan, die Paschtunen, machen nur 40 Prozent der Bevölkerung aus, das Land ist tatsächlich zwischen verschiedensten Gruppen zersplittert – und zerstritten. Zudem war das Land stets im Einflussbereich anderer Mächte, vor allem Großbritannien, UdSSR/Russland, US-Amerikaner, die massiv mitgemischt haben (und sich jetzt davonstehlen). Würde man unsere Voraussetzungen eines Staates (Staatsgebiet, befriedete Staatsnation, Staatsgewalt) anwenden, müsste man sagen: Afghanistan besteht derzeit nur mehr auf dem Papier. Dorthin kann man aber nicht abschieben.
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