KOMMENTAR_
Ich bin ein „mittelalterliches“ Stadtkind. Das merke ich, wenn ich aufs Land fahre: Egal, ob im Geschäft oder beim Spaziergang: Die Menschen, denen ich begegne, sprechen mich oft mit einem natürlichen „du“ an, auch wenn sie mich nicht kennen. Freilich liegt das nicht an mir: Vielerorts ist es üblich, den anderen vorrangig mit „du“ anzureden. So angesprochen zu werden, ist auch nicht mein Problem.
Schwierigkeiten macht mir vielmehr meine Antwort: Ich bin so aufgewachsen, dass man nur Kinder oder Erwachsene, mit denen das vereinbart ist, mit „du“ anspricht. Jemandem das „du“ anzubieten, ging ausnahmslos von der älteren Person aus. Freunde meiner Eltern habe ich nicht geduzt, außer es wurde mir mal angeboten – und das war dann eine Auszeichnung. Das „Sie“ war (und ist) für mich dagegen ein Zeichen grundsätzlich geschuldeten Respekts.
Wenn mich nun heute am Land eine ältere, fremde Person freundlich mit „du“ anspricht oder „Grüß dich“ sagt, muss ich zum Zurückduzen eine Hemmschwelle überwinden. Es bleibt mir aber wohl nichts anderes übrig. Denn ein aus meiner Sicht respektvolles „Sie“ oder „Grüß Gott“ in der Antwort könnte in der Wahrnehmung des Gegenübers distanzierend und daher respektlos wirken. Aber möglicherweise mache ich mir einfach zu viele Gedanken und das ist dann auch typisch für das „mittelalterliche“ Stadtkind, das ich bin.
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