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„Ein Grund dafür, dass ich die Täter schonen wollte, lag darin, dass sie mir eben nur in bestimmten Situationen als Täter begegnet sind ... Dass ich damals, wie mir schien, viel Gutes erfahren habe, ist die eine Seite, die andere Seite ist die des Missbrauchs.“ Dass Josef Haslinger seinen Bericht über Züchtigung und sexuelle Ausnützung im Stift Zwettl erst nach dem Tod der Täter schrieb, brachte ihm Kritik ein, weil sich die Täter nun nicht mehr verantworten können. Er habe in all den Jahrzehnten nie aufhören können, sich ihnen auf gewisse Weise verbunden zu fühlen, analysiert Haslinger im neuen Buch „Mein Fall“.
„Die Ohrfeigen, für die wir eigens antreten mussten, waren so heftig, dass sie mich manchmal umwarfen“, schildert Haslinger die Erziehungsmethoden. Liegestütze bis zur Erschöpfung, mit unter den Bauch gehaltener Zirkelspitze, gehörten zum Repertoire. Demgegenüber kamen dem Zehnjährigen die Annäherungsversuche des Beichtvaters zunächst wie ein Trost vor. Der allerdings wurde immer unverschämter. „Es lief immer auf das Gleiche hinaus. Er griff nach meinem Penis und wollte, dass ich auch seinen Penis anfasse.“ Der Sängerknabe fühlte sich ausgeliefert. Heute weiß er: „Eine einvernehmliche sexuelle Beziehung zwischen einem Neunundzwanzigjährigen und einem Elfjährigen kann es nicht geben.“ Haslingers Buch hat zwei Hauptziele: Die persönliche Aufarbeitung und den Anstoß für weitere institutionelle Aufarbeitung.
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