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„Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, heißt es im zweiten Korintherbrief (3,17). Mit seinem Rücktrittsgesuch an den Papst angesichts der Missbrauchskrise wagt Münchens Kardinal Reinhard Marx nun den Befreiungsschlag, offenbar damit der Geist Gottes Raum in der Kirche findet. Dieser Geist kann die Kirche „lebendig machen“ (2 Kor 3,6), ist sie doch laut Marx an einem „toten Punkt“ angelangt. Vielleicht dachte Marx auch an Johannes den Täufer: „Er (Christus) muss wachsen, ich aber geringer werden.“ (Joh 3,30)
Diese Zeilen sollen andeuten, dass in Marx‘ Entscheidung nicht nur Kirchenpolitik steckt. Wer seine öffentlichen Auftritte in den letzten Jahren verfolgt hat, wird eine Wandlung nicht leugnen können: Vom sehr selbstbewussten Kirchenfürsten zum nachdenklichen Wegbereiter von Reformen. Vergangenes Jahr hat er einen Großteil seines Privatvermögens in eine Stiftung für Missbrauchsopfer überführt. Das alles verdient Respekt. Wenn jetzt von extrem konservativer Seite Häme gegen Marx geäußert wird, so fällt sie auf die Verursacher zurück.
Natürlich hat Marx‘ Rücktritt auch eine kirchenpolitische Seite: Sie erhöht den Druck auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der sich darauf versteift, im Umgang mit Missbrauch juristisch nichts Falsches getan zu haben. Die Kirchenaustritte in seiner Erzdiözese zeigen aber, dass das zu wenig ist.
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