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Totenschädel, Sensenmann und Sanduhr sind Symbole der Vergänglichkeit und in Kunstwerken unerbittliche Verweise auf die letzte Wahrheit des Lebens: den Tod.
Das Dom Museum Wien verzichtet im Titel der aktuellen Ausstellung auf die bedrohlichen drei Buchstaben. Der Titel „Sterblich sein“ ist vielmehr eine Rückbindung an das Leben und ein Verweis auf die Fragilität allen menschlichen Seins. Er erinnert an die Tatsache, dass der Tod unausweichlich in jedem Moment des Lebens präsent ist.
Seit der Neueröffnung des Museums greift die Wiener Kunstwissenschafterin Johanna Schwanberg, seit 2013 Direktorin des Museums und zuvor Lehrende an der Katholischen Privat-Universität Linz, existenzielle Themen und Fragestellungen auf. Zu ihrem erfolgreichen Konzept zählt es, historische Werke und zeitgenössische Kunst in Bezug zueinander zu setzen.
„Sterblich sein“ schöpft aus einer Fülle an Motiven und Kunstwerken der christlichen Ikonografie (Bildgeschichte). Außerhalb des Museums – in Kirchen – begegnet uns der Tod auf Schritt und Tritt: Der Tod Jesu am Kreuz, die Beweinung Jesu, die Pieta – der tote Jesus auf dem Schoß seiner Mutter –, Marientod und Beweinung Mariens sowie Bilder und Skulpturen von Märtyrer:innen und Heiligen im dramatischen Todeskampf sind allgegenwärtige Motive.
Die Ausstellung im Dom Museum Wien spannt anhand von Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Videoinstallationen einen großen Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
Neben hochkarätigen Leihgaben ist ein eigenes „Zeichnungskabinett“ mit Werken unter anderem von Margret Bilger, Maria Lassnig, Alfred Kubin und Herwig Zens aus dem eigenen Bestand, der Sammlung Otto Mauer, eingerichtet. Das fruchtbare und zukunftsweisende Wirken des Wiener Dompredigers, Galeristen und Kunstsammlers in der Begegnung mit Künstler:innen erfährt auf diese Weise zu seinem vor Kurzem begangenen 50. Todestag eine besondere Würdigung.
Der gewaltsame und brutale Tod im Krieg kommt unter anderem in Fotoarbeiten des aus Syrien stammenden Künstlers Khaled Barakeh zum Ausdruck, ebenso wie die Auseinandersetzung mit dem Tod der Mutter in einer poetischen Fotoarbeit von Renate Bertlmann.
Ein Überraschungsmoment bietet die nahezu lebensgroße hyperrealistische Skulptur des Australiers Sam Jinks mit dem Titel „Still life (Pieta)“: Ein junger Mann hält – in der Pose der Pieta – einen nackten toten Körper auf dem Schoß.
Die junge österreichische Künstlerin Lena Ilay Schwingshandl hält in einer Foto-/Audioinstallation den Prozess der Auswahl des Sterbebildes mit ihrer Oma fest. Ein besonderes Ausstellungsstück ist auch die Kasel mit Skelettmotiv aus dem Jahr 1630, eine Leihgabe aus dem Stift Kremsmünster – um nur eine kleine Auswahl aus der Fülle an Werken zu nennen.
Das Plakatmotiv der Ausstellung stammt von Günter Brus. Mit wenigen Pinselstrichen schafft er ein ausdrucksvolles Bild des Sterblich-Seins. Das Aquarell vermittelt fast einen heiteren Eindruck. Braun- und Grautöne, die an Wolken erinnern, füllen die Bildfläche aus. Davor steht eine menschliche Gestalt. Sie ist schwarz gekleidet. Der leicht geneigte Kopf hat kein menschliches Antlitz. Es ist ein Totenschädel. Unvermittelt ein erschreckender und bedrohlicher Anblick. Die Augenhöhlen, der Nasenknochen und der Mund sind mit schwarzen Strichen angedeutet. Es ist, als würde die Figur für die Betrachterin posieren und der Tod mit uns ein neckisches Spiel treiben.
Zur Ausstellung ist ein ansprechender Katalog mit Abbildungen der Werke, Raumansichten und Texten erhältlich. Er ist – zusammen mit dem Besuch der Ausstellung – eine wertvolle Anregung, über das Medium der Kunst das Unaussprechliche zum Gesprächsthema zu machen.
Info: Dom Museum Wien, Sterblich sein, bis 25. August 2024, Stephansplatz 6, 1010 Wien
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