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Ein Beispiel dafür ist die Graphic Novel „Auerhaus“ von Janne Marie Dauer.
Einen eigenen Comicbuchladen gibt es nicht in Linz, dafür geht das Nextcomic-Festival heuer bereits in die 17. Runde. Das breit gefächerte Programm beweise, dass Comics sich nicht nur um Superhelden drehen oder lustig sein müssen, sagt Festivalgründer Gottfried Gusenbauer: „In den gezeichneten Geschichten werfen Comic-Künstler und -Künstlerinnen Fragen auf oder sie bieten Möglichkeiten zur persönlichen Verarbeitung von Krisen, Konflikten und kleinen und großen Herausforderungen. Comics fördern die Bereitschaft, sich mit den Themen der Gegenwart auseinanderzusetzen.“
In die aktuelle Zeit passe der Fokus auf Resilienz und Empowerment sehr gut, sind sich die Veranstalter:innen einig. Resilienz ist die innere Stärke oder Kraft, Belastungen auszuhalten und damit umzugehen; Empowerment bezeichnet das Bestärken von Menschen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Eine Graphic Novel (ein Comic in Buchform), die hier beispielhaft herausgegriffen werden kann, ist „Auerhaus“ von der Comiczeichnerin, Malerin und Illustratorin Janne Marie Dauer. Es ist die Comic-Adaption von Bov Bjergs gleichnamigem Roman. Die Geschichte spielt in einem kleinen Ort in Baden-Württemberg in den 1980er-Jahren. Sechs Jugendliche stehen kurz vor dem Abitur (Matura) und ziehen zusammen in ein Landhaus, um sich um ihren suizidgefährdeten Freund Frieder zu kümmern. Erzählt wird aus der Perspektive von Frieders bestem Freund Höppner, der verzweifelt versucht, diesen zu verstehen und ihm zu helfen.
Janne Marie Dauer arbeitete über zwei Jahre an der Umsetzung der Graphic Novel. An dem Stoff hat sie unter anderem interessiert, auf welche Art mit dem Thema Suizidversuch eines Jugendlichen umgegangen wird sowie „diese Enge der Provinz, der zum Scheitern verurteilte Versuch eines neuen Zusammenlebens. Da steckte neben der Tragik auch ganz viel feiner Humor drin und in diesem Coming-of-Age-Aspekt konnte ich auch Dinge aus meiner Jugend wiederfinden. Ich hatte sofort Bilder vor Augen, direkt beim ersten Lesen.“ Den Roman habe sie innerhalb von zwei Tagen verschlungen.
Janne Marie Dauer wurde 1995 in Göttingen geboren. Nach ihrem Studium der Visuellen Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel studiert sie derzeit Malerei an der Universität für angewandte Kunst Wien. Sie ist Comiczeichnerin, Malerin, Illustratorin.
Eine der Herausforderungen bei der Adaption der Geschichte sei gewesen, dass Dauer herausfinden musste, wie sie diese kürzen kann, ohne dass die originale Geschichte verloren geht. „Und ich wollte möglichst alles mit Bildern erzählen, also den Text, wenn es ihn nicht gebraucht hat, weglassen.“ Gearbeitet hat sie mit Gouache und Bleistift, was ihr ermöglichte, sowohl durchscheinende wie deckende Farben zu kreieren.
Bei der Auswahl der Farbpalette ging sie sowohl bewusst als auch intuitiv vor, wie sie in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur erzählt. Beispielsweise werden die Farben nach dem Einzug der Jugendlichen in das Landhaus kräftiger und wärmer. Auch jede Figur hat ihre eigene Farbgebung. Durch die Arbeit an der Graphic Novel gewann Janne Marie Dauer auch Erkenntnisse für sich persönlich bzw. ihr künstlerisches Schaffen, nämlich „die Bestätigung, dass ich so ein umfangreiches Buch zeichnen kann und den Aufbau einer Disziplin des Comiczeichnens.“ Ihren Stil bezeichnet sie selbst als etwas „Schnelles, Spontanes, vielleicht Hingefetztes manchmal“. Sie arbeite gerne schnell, daher haben ihre Bilder oft etwas Skizzenhaftes. Gerade das Skizzenhafte und Entwurfmäßige passe jedoch gut zur Lebenssituation der Figuren in „Auerhaus“.
Das Medium Comic biete bei der Vermittlung von Botschaften einige Vorteile im Vergleich zu etwa Roman oder Film, sagt die Künstlerin: „Durch die Zeichnung lassen sich beim Comic bzw. der Graphic Novel metaphorische Bilder und Sequenzen darstellen, die in anderen Medien nur unter größerem Aufwand oder gar nicht möglich wären. Ein Strich kann eine Emotion wiedergeben, eine Farbigkeit, die nicht naturalistisch sein muss, kann die Stimmung total beeinflussen.“ Die Gleichzeitigkeit von Bild, Text und Panelaufbau einer Seite sei etwas Einzigartiges bei diesem Medium: „Wir lesen zeitlich, aber auch räumlich auf dem Blatt, das ist für mich sehr faszinierend.“
Wie kann nun ein Comic wie „Auerhaus“ bestärkend und resilienzfördernd für die jeweiligen Leser:innen wirken? Janne Marie Dauer sieht das so: „Auerhaus ist ein Versuch, mit dem schwierigen Thema Suizidalität umzugehen, eine Verarbeitung dessen, eine Auseinandersetzung. Die Jugendlichen versuchen, diese Resilienz in sich selber und miteinander zu finden und suchen nach Wegen, resilienter zu sein im Angesicht mentaler Probleme, aber auch der einengenden, westdeutschen 80er-Jahre Provinzwelt.“ Eine Behandlung dieses Themas in einem Graphic Novel könne Gespräche darüber ermöglichen, im besten Fall fühlen sich Menschen verstanden und gesehen, sodass dadurch auch Resilienz entstehen könne.
Dieses Jahr präsentiert das Nextcomic-Festival 33 Ausstellungen in Linz, Traun und Steyr von mehr als 200 Künstler:innen. Mit dabei sind österreichische Vertreter:innen wie Franz Suess (2024 Comicpreis der Berthold Leibinger Stiftung), Regina Hofer (2024 Österreichischer Kunstpreis Outstanding Artist Award) und der mehrfach prämierte Künstler Leopold Maurer. Neben den Ausstellungseröffnungen gibt es verschiedenste Veranstaltungen im Moviemento, der Stadtbibliothek im Wissensturm, im Ars Electronica sowie unter anderem eine szenische Lesung im Theater Phönix oder Führungen. Beim Eröffnungsrundgang am 21. März wird Janne Marie Dauer anwesend sein und ihre Graphic Novel „Auerhaus“ vorstellen.
Festivaleröffnung: Fr., 21. 3., 19 Uhr, Ursulinenhof; Infos zum vollständigen Programm des Nextcomic-Festivals unter www.nextcomic.org
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