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An die 900 Orgeln bereichern die Orgellandschaft in Oberösterreich. „Der Erhalt, die Pflege und Wartung historischer Orgeln steht dabei im Vordergrund, aber auch die wenigen Neubauten sollen möglichst qualitätsvoll ausgeführt werden können“, beschreibt Orgelreferent Siegfried Adlberger seine Sicht auf die Orgellandschaft. „Eine Orgel muss jahrzehntelang und generationenübergreifend funktionieren und vor allem gut klingen, um die Herzen der Menschen zu erreichen“, sagt Adlberger. Die Orgel zählt zu den wichtigsten Instrumenten in der Liturgie. Organist/innen schätzen an ihr besonders, mit einem Instrument ein ganzes Orchester zur Verfügung zu haben – ein Klang-Universum, das Mensch und Raum verwandeln kann.
In der Pfarr- und Wallfahrtskirche am Pöstlingberg war es nun jahrelang still gewesen. Die alte elektropneumatische Orgel ist nicht mehr spielbar, ein Umbau nicht möglich. Wolfgang Seitz vom Orgelkomitee erklärt: „Die Pfeifen haben sich schon zu weit abgesenkt und dadurch das dünne Blech am Fußende verbogen und gestaucht, sodass die Pfeifen nicht mehr ausreichend Luft bekommen.“ Ohne Luft, kein Ton in der Wallfahrtsbasilika. Im Jahr 2019 wurde nach einem Ausschreibungsverfahren der Firma Tilmann Späth aus Freiburg der Auftrag zum Neubau übertragen. Unter Einbeziehung aller Fachexpert/innen wurde das neue Orgelprojekt entwickelt und nun der Öffentlichkeit präsentiert.
Ein besonderer Höhepunkt ist, dass die international tätige Künstlerin VALIE EXPORT für die künstlerische Gestaltung des Orgelprospekts – für die äußere Form der Orgel – gewonnen werden konnte. Kunstreferent Hubert Nitsch hat den Kontakt zur Künstlerin eingefädelt und sie in Abstimmung mit der Pfarre für die Gestaltung der Orgel beauftragt. – Die KirchenZeitung hat nachgefragt, was sie mit dem Pöstlingberg verbindet und wie sie auf die Anfrage der Diözese Linz reagiert hat. Die gebürtige Linzerin hat eine sehr persönliche Beziehung zum Pöstlingberg, erzählt sie: „Ich bin als Kind mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester auf den Pöstlingberg gewandert, wir sind an unserem Ziel in ein Gasthaus für ein Schmalzbrot eingekehrt, Grottenbahn gefahren und haben die Marienkirche besucht.“ Die Anfrage von Hubert Nitsch hat sie überrascht.
Die Gestaltung eines Orgelprospekts hält sie für eine „spannende künstlerische Herausforderung“, wie sie sagt: „Ich fand die Aufgabe reizvoll, mich mit einem Musikinstrument auseinanderzusetzen, dessen einzelne Töne mich beeindruckten, dessen Klang-Körper meine Sinne berührte“. Die Töne, der Klang der Orgel sind dabei nicht etwas Flüchtiges, das sich sofort auflöst. Im Gegenteil: „Die Stimmen der Orgel füllen den architektonischen Körper des Kirchenraumes. Der Orgelton strömt durch die Kirche, er ist ein imaginärer Körper, eine unsichtbare Linie, die durch die Wahrnehmung in unser Bewusstsein fließt und die Freiheit unserer Gedanken, Empfindungen trägt. Die Stimme, der Atem sind Kunstwerke“, sagt die Künstlerin dazu. Der Schriftzug: „Wer begreift hat Flügel“ (sic!)wird Teil der Gestaltung und vorne sichtbar sein. Die Schleierbretter sind in schlichten Formen gehalten, sie erinnern an Flügel: „Der Kirchenraum und das Instrument werden somit zu einem Ort, die uns mit unserem Denken und unseren Gedanken beheimaten, aber gleichzeitig auch darüber erheben“, erklärt VALIE EXPORT. Die äußere Form dieser Orgel trägt nun ihre künstlerische Handschrift. Das nach ihr benannte „VALIE EXPORT Center“ in Linz, das ihr künstlerisches Schaffen dokumentiert, erforscht und vermittelt, hat damit ein neues Werk zu verzeichnen, das in seiner Einzigartigkeit schon jetzt für Aufmerksamkeit sorgt. – Bis 2023 soll die neue Orgel fertiggestellt werden. Sie wird rein mechanisch zu betätigen sein, die einzigen elektronischen Komponenten sind ein Gebläse und eine Beleuchtung am Spieltisch. Das soll eine Lebensdauer von über 100 Jahren sichern. Stilistisch soll sie den Ansprüchen einer Wallfahrtskirche gerecht werden, ihr Klang soll zum Raum passend hell und charmant sein.
Die Kosten für den Neubau werden 700.000 Euro betragen. Die Pfarre muss dabei einen großen Anteil selbst aufbringen und versucht, mithilfe von Sponsoren die Gelder aufzutreiben. Öffentliche und private Sponsoren haben bereits Unterstützung zugesagt. Bislang beläuft sich das Spendenvolumen auf 430.000 Euro. Seit 2017 werden Partner/innen, Unterstützer/innen gesucht und Benefiz-Aktionen überlegt. Bedingt durch die Corona-Krise mussten im Jahr 2020 bereits einige Termine abgesagt werden, für 2021 konnten die St. Florianer Sängerknaben wieder als Unterstützer gewonnen werden: Am 12. Oktober soll ein Benefiz-Konzert für die Orgel stattfinden, weitere musikalische Veranstaltungen sind geplant. Die KirchenZeitung ist Medienpartnerin.
Die Orgellandschaft in Oberösterreich ist bunt. Historische, alte und neue Orgeln zählen dazu. In Ried muss zurzeit die Schwanthaler-Orgel restauriert werden. Sie ist 42 Jahre alt und zählt zu den schönsten Instrumenten in Oberösterreich. „Alle 25 Jahre ist es notwendig, die Orgel völlig auszubauen und die einzelnen Teile zu reinigen und die abgenützten Teile zu ersetzen“, berichtet Organist Bernhard Schneider. Leider hat auch Schimmelbefall der Orgel zugesetzt. Ein Phänomen, das in vielen Kirchen seit ca. 15 Jahren zu beobachten ist. Die Gesamtkosten der Restaurierung werden sich auf ca. 100.000 Euro belaufen. Der Konzertverein „Musica Sacra“ bietet immer wieder Orgelkonzerte an. Zu Weihnachten konnten Pfarrer Rupert Niedl 1.000 Euro für die Restaurierung der Orgel übergeben werden. Auch hier half ein sommerliches Benefizkonzert, die Summe zu erspielen.
VALIE EXPORT gilt als eine der wichtigsten internationalen Pionierinnen konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst. Bekannt wurde die Linzerin mit Body Performance. Im Lentos ist anlässlich ihres 80. Geburtstags eine „Hommage à VALIE EXPORT“ zu sehen. Ihre künstlerischen Arbeiten zum Marienbild, aber auch ihre Arbeiten zur menschlichen Stimme als Instrument und auch als Bild sind weniger bekannt. Stimme, Luft, Atmen führen auch zur Orgel, die Luft zur Klangerzeugug benötigt. – Die Stadt Linz erwarb 2015 das Archiv der heute in Wien lebenden Künstlerin und eröffnete 2017 das „VALIE EXPORT Center“, wo der Vorlass der Künstlerin bearbeitet und erforscht wird.
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