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Wie vielfältig Oberösterreich ist, zeigten anfangs Studierende und Lehrende: In verschiedenen Sprachen – je nach Herkunftsland – wurden Auszüge aus der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vorgetragen. Mehr als zehn Sprachen waren zu hören. Als Weltenbürger, der in Linz geboren ist, sieht sich Franz Welser-Möst. Der Dirigent, der heute zu den Weltbesten seines Fachs zählt, drückte nicht nur in Linz die Schulbank, sondern genoss auch den dabei vorgefundenen Freiraum. Diesen hat P. Balduin Sulzer als Leiter des Musikgymnasiums von Anfang an ermöglicht und viele Talente entdeckt, junge Menschen herausgefordert und gefördert – so etwa auch den damals noch jungen Musiker Franz Möst. „Ich habe großes Glück gehabt, in einem unorthodoxen Umfeld aufzuwachsen“, so Möst rückblickend. Vergessen werde heute oft, dass Menschen nicht nur Nahrung für das Hirn, sondern auch für die Seele brauchen. Bildung sei nicht Wissen ansammeln, es brauche auch Möglichkeiten, die Persönlichkeit zu bilden.
Das Thema des Bürgerdialogs lautete „Tradition versus Innovation“. Möst möchte im Rahmen seiner Möglichkeiten neue Denkräume aufstoßen. Oft werde Tradition in Österreich als Stillstand missverstanden, so Möst. Kritisch hinterfragte er den gern zitierten Satz „Österreich ist eine Kulturnation.“ und den Anspruch „Weltgeltung“ zu besitzen. Möst dazu: „Musizieren ist eine Entdeckungsreise. Mir fehlt das Innovationsdenken, die Neugierde. Das bedeutet auch Risiko. Risiko auf sich zu nehmen ist keine gerne gesehene Eigenschaft in Österreich.“ Dazu gehöre auch, dass Scheitern erlaubt sei: „Davon haben wir uns ganz wegbewegt. Wir sind sehr ängstlich geworden. Nur ja kein Risiko eingehen, hört man da oft in Kulturbetrieben“, sieht Franz Welser-Möst diese Entwicklung mit Sorge und wünscht sich mehr Mut bei Programmgestaltungen. Die Rolle des Staates sei es, den Rahmen und die Infrastruktur für Kunst und Kultur zur Verfügung zu stellen, aber auch das freie Spiel der Kräfte dürfe wirken.
Im Rahmen des Bürgerdialogs wurde auch das Thema „Friede“ angesprochen. „Von welchem Frieden reden wir?“, fragte Möst nach: „Das Recht auf Meinungsfreiheit wurde entwickelt in einer Zeit, in der es noch kein I-Phone gab. Man wusste früher, wer spricht.“ Kritisch sieht er hier die Entwicklung, anonym seine Meinung im Internet zu äußern. „Denunziation war früher ein Teil von Diktaturen. Wir haben ein Kommunikationsproblem – und die Frage ist, wie wir das wieder auf Schiene bringen“, meinte Möst dazu. Inspiriert und nachdenklich verließen die über 180 Zuschauer/innen nach gut einer Stunde die Bruckner Uni, um am Abend zum beeindruckenden Jugend-Konzert wiederzukommen.
Konzerttipp: Franz Welser-Möst bei den Salzburger Festspielen: u. a. am 3. und 5. August mit den Wiener Philharmonikern.
Info: www.salzburgerfestspiele.at
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