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Obwohl Ebelsberg bereits 1258 einen Pfarrer hatte, deutet an der heutigen Kirche kaum noch etwas auf ihr hohes Alter hin. Grund dafür sind die Napoleonischen Kriege und jene Schlacht, die hier 1809 an einem einzigen Tag 12.000 Tote und Verwundete forderte. Neben 60 Häusern und dem Schloss brannte damals auch die Pfarrkirche nieder. Der 1829 geweihte Neubau bezog den erhaltenen Turm mit ein. 1908 erfolgte eine Ausschreibung zur Neugestaltung der Apsis, aus der das in jeder Hinsicht einzigartige Projekt von Leopold Forstner und Wilhelm Bormann als Sieger hervorging.
Der in Leonfelden geborene Forstner gilt heute als einer der bedeutendsten Künstler des Wiener Jugendstils. Nach einer Lehre in der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck studierte er ab 1899 an der Wiener Kunsgewerbeschule bei Karl Karger und Kolo Moser sowie 1902/03 an der Münchener Akademie. 1906 gründete er die Wiener Mosaikwerkstätte und arbeitete mehrfach mit Otto Wagner, Kolo Moser und Gustav Klimt zusammen.
Der Bildhauer Bormann stammte aus Braunschweig und studierte gleichzeitig mit Forstner in Wien. Die Gestaltung der Apsis von Ebelsberg war ihr einziges gemeinsames Werk. Während Altartisch und Tabernakel der Neuromanik angehören, zeigen die Reliefs und Mosaiken reinen Jugendstil.
Charakteristisch sind die strenge, plakative Stilisierung, die geometrischen Ornamente und die hellen, kräftigen Farben.
Im unteren Bereich wenden sich vier stehende Figuren aus grau glasierter Keramik dem Allerheiligsten zu, getrennt durch dunkelblaue Mosaikfelder mit Bibelzitaten. Die Reihe beginnt links mit Aaron, dem Bruder des Moses. Als Hohepriester trägt er das Ephod (Brustschild), Glöckchen und ein Rauchfass. Der Vers „Tritt her zum Altare und opfere für dich und das Volk“ ist dem Buch Levitikus entnommen (Lev 9,7). Es folgt Petrus mit Schlüssel, Buch und Fischernetz. Das Zitat „Ihr seid ein auserwähltes Volk, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk“ findet sich im ersten Petrusbrief (1 Petr 2,9). Der Apostel Paulus trägt als Zeichen seines Martyriums ein Schwert mit Ketten. Der Vers „Wir haben einen Altar, von dem jene nicht essen dürfen die dem Zelte dienen“ stammt aus dem Hebräerbrief (Hebr 13,10) und bezieht sich auf den Gegensatz zwischen jüdischem und christlichem Gottesdienst. Den Abschluss bildet Melchisedek mit Brot und Wein. Auf ihn weist der Text aus Psalm 110: „Du bist der Priester ewiglich nach der Ordnung Melchisedeks.“ In den schwarzen Feldern darunter sind die Menora (der siebenarmige Leuchter) sowie Getreide, Trauben und eine Harfe dargestellt. Die weißen Überklebungen waren notwendig, um lockere Teile des Mosaiks bis zur anstehenden Restaurierung zu sichern.
Der obere Teil besteht aus einem hochovalen, von Goldmosaik umgebenen Feld. Es zeigt den Kirchenpatron Johannes den Täufer, und zwar nicht im Jordan, sondern auf einer Blumenwiese und neben ihm zwei Juden, von denen einer mit verschränkten Armen aufblickt, während sich der andere demütig niederbeugt.
Johannes weist auf das Lamm Gottes, das vielleicht in Anspielung auf die Apokalypse (Offb 4,3) von einem Regenbogen umgeben ist. Auch die ornamental stilisierten Quellen sind wohl in diesem Sinn zu deuten (Offb 7,17): „Denn das Lamm ... wird sie weiden und sie leiten zu lebendigen Wasserquellen, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
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