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Was war Ihr Eindruck, als Sie im Herbst mit Ihren Schwestern den Film das erste Mal gesehen haben?
Maria Dammer: Der Film ist sehr gut gemacht, großartig gemacht und wirklich berührend, aber für uns als Familie auch belastend und die – man kann sagen – brutalen Passagen im zweiten Teil des Films sind auch bedrückend. Trotzdem finde ich es wichtig, dass so viel über den Vater gesprochen wird.
Warum?
Dammer: Damit die Leute erfahren, dass man nicht alles nachmachen soll, was einem so vorgegeben wird, sondern überlegen, ob das auch richtig ist.
Was ist Ihre erste Erinnerung an das Schicksal Ihres Vaters?
Dammer: Das fragen die Leute immer. Aber ich kann mich nicht an ihn erinnern. Ich war zu klein. Schön wäre es, wenn ich mich an ihn erinnern könnte. Denn aus Erzählungen und seinen Briefen weiß ich, wie gern er uns gehabt hat. Was ich aber weiß, ist, wie der Brief gekommen ist. Wie die Mutter den Brief vorgelesen hat, dass der Vater enthauptet worden ist. Da sind wir in der Stube gesessen. Da haben alle geweint. Das war so einschneidend, dass es hängen geblieben ist.
Wurde der Abschiedsbrief dann öfter in der Familie gelesen, zum Todestag etwa?
Dammer: Nein, erst als dann die Gedenkfeiern aufgekommen sind (in den 1980iger-Jahren). In der Familie sind wir am Todestag in die Kirche gegangen, wenn eine Messe war, oder eben an den Tagen vorher oder nachher.
Hat sich durch die Seligsprechung für Sie im Verhältnis zu Ihrem Vater etwas verändert?
Dammer: Der Jägerstätter gehört nicht mehr uns alleine, sondern der ganzen Welt, heißt es immer wieder. Na ja, stimmt irgendwie, uns gehört er aber trotzdem noch. Den lassen wir uns nicht nehmen. Die Seligsprechung war eine große Ehre für uns. Die Mutter war schon sehr froh über das, weil für uns als Familie war er immer ein Heiliger.
Beten Sie auch zu ihm?
Dammer: Ja, ja. (Pause) Wenn ich etwas brauche. (Maria Dammer lächelt.) Nein, nein, schon so auch. Um Hilfe bitten wir ihn oft. Wir vertrauen ihm im Gebet auch seine ganze große Familie an.
Sie sind nicht verbittert, dass der Vater die Entscheidung getroffen hat …
Dammer: Die Mutter hat es mitgetragen … die hat ihn so geliebt, dass er das tun hat können. Wenn ich so nachdenke, glaube ich, es hat alles so sein müssen.
Was meinen Sie damit?
Dammer: Sein ganzes Leben war der Vater beschützt. Er ist einmal von einem Baum gefallen, da hätte er tot sein können. Er ist bei Hochwasser – wirklich waghalsig – über die Salzach geschwommen, da hätte er ertrinken können. Dann ist er nur durch Zufall nicht bei der Gestapo denunziert worden. Da wäre er vermutlich ins KZ gekommen und dort womöglich umgekommen. Ihm ist nie etwas passiert: Wie wenn er für das Neinsagen aufgespart worden wäre.
Dass seine Verweigerung nichts bewirken wird, sinnlos ist, damit hat man Jägerstätter bei den Verhören massiv unter Druck gesetzt – und jetzt richten sich so viele Menschen an seinem Nein auf.
Dammer: Im Film wird es oftmals betont: Kein Mensch erfährt etwas davon, was du tust. Es ist aber ganz anders gekommen, als die Nazis geglaubt haben. Jägerstätter ist in der ganzen Welt bekannt. Zur Zeit wird er in Amerika wieder sehr beachtet. Die haben so viele Probleme mit ihrer Regierung und den Waffen. Da brauchen sie unseren Jägerstätter ganz besonders.
Können Sie die Botschaft Ihres Vaters für uns kurz zusammenfassen?
Dammer: Das Gebet war ihm ganz wichtig und das Verzeihen können. Das hat er der Mutter noch im letzten Brief geschrieben: Du musst allen verzeihen, auch wenn es schwer ist. Und dann war für ihn noch entscheidend: Nicht auf das schauen, was die anderen sagen, sondern selbst sich informieren und nachdenken, was ist richtig und was nicht. Schließlich hat er das auch getan, was er als richtig erkannt hat. Gesagt haben es ja viele, dass man nicht einrücken soll, aber dann wirklich dabei bleiben, da war er dann doch sehr allein. Das fasziniert viele Menschen an Jägerstätter: Dass er nicht nur geredet, sondern es getan hat.
Mehr über den Film „Ein verborgenes Leben“:
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