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„Versteht ihr immer noch nicht?!“ – Wenn Franz Strasser diese Bibelstelle vorträgt, mit großer Eindringlichkeit, vielleicht schon Verzweiflung, dann geht das durch und an. „Ist denn euer Herz verstockt? Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören?“, heißt es da weiter im Markus-Evangelium, Kapitel 8, ab Vers 17.
„Ein Evangelium an einem Abend zur Gänze mitzuerleben, das vergisst man nicht“, weiß er aus vielen Rückmeldungen. Die 16 Kapitel aus der Starre des geschriebenen Textes zu befreien, war eine seiner Intentionen, das Evangelium in Szene zu setzen.
Die Idee dazu hatte vor Jahrzehnten der damalige Generaldechant Hans Bachmair, der sich mehr Lebendigkeit statt trockener Lektüre wünschte. Strasser schrieb ein Konzept, das er an 70 Pfarren schickte: „Wenn zehn dabei sind, dann mache ich es!“ Gemeldet haben sich genug. Über 200 Mal hat Strasser das Markus-Evangelium seit 1995 als szenische Darstellung in Österreich, Deutschland, Südtirol und Israel zum Leben erweckt.
Fünf besondere Israel-Reisen hat er mit verschiedenen Reisegruppen unternommen. An Originalschauplätzen hat er dann die dazu passenden Bibelstellen vorgetragen. Auch das war für viele unvergesslich. „Ich wollte, dass es erfahrbar wird. Meine Interpretation der Texte hat sich im Lauf der Jahre immer wieder verändert. Manchmal bekommt eine Textstelle mehr Gewicht als ursprünglich geplant. Etwa die Rolle des Hauptmanns, der als Außenstehender sagt: ‚Wahrlich, das ist Gottes Sohn!‘ Er erkennt, was da vorgeht und wer Jesus ist!“ – Das hör- und sichtbar zu machen ist ein großer Anreiz. Das Evangelium in einem Schwung zu bringen und über zwei Stunden einen Bogen zu spannen, ist körperlich und auch geistig eine Herausforderung.
Im Publikum sitzen Zuseher:innen im Alter von 10 bis 80 Jahren, gespielt hat er in Kirchen, Pfarrheimen, in einer Therme und in Bildungshäusern. Für Jugendliche interessant ist offenbar speziell die Markus-Passion: „Da kommen am Karfreitag viele Junge, um sich die Passion in Wels-St. Franziskus ‚zu geben‘, wie Jugendliche das selbst formulieren“, erzählt Strasser.
„Ich halte es für interessant, sich das Leben Jesu, wie wir es bei Markus lesen, zu Gemüte zu führen, mit all seinen Facetten, die es hat, etwa wenn es um die Stellung der Kinder geht. Bibelstellen wie ‚Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes‘ (Mk 10,14) machen etwas mit einem. Was bedeutet das für unser Leben heute?“
Herausfordernd findet es Strasser auch, wenn davon die Rede ist, dass Reichtum hinderlich sei, um Gott nachzufolgen und das ewige Leben zu erwerben. Im Kapitel „Reichtum und Nachfolge“ wird von einem Mann erzählt, der alle Gebote hält. Trotzdem geht da noch mehr. „Da sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte: ‚Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben, dann komm und folge mir nach!‘ Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“ (vgl. Mk 10,17–31)
Strasser fasziniert, dass Jesus hier keine Möglichkeitsform und keine Befehlsform verwendet: „Ich sehe das als Korrektiv für das eigene Leben. Was bewirkt diese Stelle? Bewirkt es überhaupt etwas? Ich lasse mich auch selbst von einer Bibelstelle befragen“, beschreibt Strasser seinen Zugang.
Aktuell bleiben für ihn auch Worte, die Jesus zu seinen Jüngern spricht, wenn es um den Rangstreit unter ihnen geht: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35). Was bedeutet das für uns heute?, fragt Strasser nach.
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung ist ihm auch der künstlerische Zugang wichtig: „Wie sage ich diesen Satz, dass er ausdrückt, was ich vermitteln will? Wie gestalte ich den Satz, dass er verständlich ist? Wie ist meine Stimme, meine Stimmlage, die Körperhaltung, der Blick?“ – All das fließt in seine Darstellung ein. Lektor:innen, die er seit Jahren schult, versucht er das mitzugeben, was auch er auf der Bühne macht. „Ich bin das Instrument der Darstellung mit diesem Notenmaterial.“ Das Werk steht im Vordergrund, Authentizität ist wichtig, aber der vorgetragene Text muss für das Publikum „hörbar, sichtbar und spürbar sein“, sagt Strasser.
Wichtig hält er auch die Bereitschaft, den Effata-Ritus bei sich selbst zu vollziehen. „Die Bereitschaft, sich zu öffnen, ist wichtig“, meint Strasser und erinnert an folgende Bibelstelle: „Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden“ (Mk 7,32 ff). Sich öffnen zu können, dazu brauche es die technischen Voraussetzungen und inhaltliche: „Ich muss mich auch innerlich öffnen – mein Herz, meinen Geist, meine Sinne aufmachen.“ Dann wird das Evangelium zu einem unvergesslichen Gesamterlebnis: „Vor 20 Jahren hast du das bei uns gespielt, das weiß ich heute noch“, sagte erst kürzlich jemand zu ihm.
„Der Weg – szenische Darstellung des Markus-Evangeliums“ wird am 6. April noch einmal in der Pfarre Wels-St. Franziskus zu erleben sein. Nach 210 Mal ist dann Schluss – und damit ist das die letzte Gelegenheit, mit Franz Strasser noch einmal auf unvergleichliche Weise in das Markus-Evangelium einzutauchen.
Wels-St. Franziskus, 6. 4., 19 Uhr, Eintritt: € 20,–. Den Erlös spendet Schauspieler Franz Strasser der Pfarre,
www.dioezese-linz.at/wels/stfranziskus
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