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Sie sind aus Hinterstoder und kamen als Kind zu den St. Florianer Sängerknaben. Wer hat Sie damals entdeckt?
Alois Mühlbacher: Ich bin von meinen Eltern entdeckt worden, weil ich eine relativ laute Stimme hatte. Ich habe dann bei den Sängerknaben vorgesungen und wurde genommen. Zunächst konnte ich mir das Leben dort nicht vorstellen wegen des Internats. Ich hatte auch viel Heimweh. Aber die Liebe zur Musik ist immer größer geworden. Es ist eine Passion, eine Leidenschaft für die Musik entstanden, die geblieben ist.
Meine Eltern haben gemeinsam mit mir diese Liebe zur Musik entwickelt und hatten immer großes Verständnis für meinen Weg. Bis heute unterstützen und begleiten sie mich, auch auf Auslandsreisen.
Als Sängerknabe weiß man, dass die Zeit im Knabenchor begrenzt ist. Wenn der Stimmbruch naht, verändert sich vieles. Wie war das bei Ihnen?
Mühlbacher: Kurz vor dem Stimmbruch ist die Knabenstimme am besten. Ich habe in dieser Zeit auch an der Wiener Staatsoper gesungen.
Die Zeit der Ungewissheit hat sicher ein Jahr gedauert. Niemand weiß, wie die Stimme nachher wird. Bei mir hat sich dann abgezeichnet, dass ich zur tiefen Stimme auch die hohe Stimme erhalten kann. Ich musste intensiv an meiner Stimme arbeiten und eine neue Technik lernen. Mit dieser habe ich die Freiheit beim Singen wieder erlangt. Nun bin ich ein Countertenor, kann aber auch Bass singen.
Sie leben jetzt in Wien, haben zuletzt ein halbes Jahr in London studiert. Wie war das? Und wie geht es beruflich weiter?
Mühlbacher: Ich habe in London an der Royal Academy of Music mein Masterstudium fortgeführt. Die Zeit in London war ein Erlebnis – eine pulsierende, internationale Stadt. Man lernt Menschen aus aller Welt kennen, das war sehr spannend.
Für mich ist klar, dass ich von der Musik leben will. Es kann gar nichts anderes werden. Hier kann ich meine ganze Energie ausleben. Die Liebe zur Musik ist das, was mich antreibt.
Als Sänger sind Sie viel unterwegs, müssen aber auch viel üben. Wie darf man sich das vorstellen?
Mühlbacher: Als Sänger hat man ja sein Instrument immer bei sich und benützt es auch ständig. Man lebt mit seinem Instrument. Als Sänger kann ich nicht soviel üben wie etwa ein Pianist oder ein Geiger. Ich komme auf eine reine Übezeit von maximal zwei Stunden pro Tag. Wenn dann noch Aufführungen oder Proben sind, dann sind es auch mal sechs oder acht Stunden. Aber klar ist, ich muss auf meine Stimme achtgeben. Trotzdem führe ich fernab der Musik ein ganz normales Leben.
Jetzt in der Erkältungszeit muss ich natürlich aufpassen. Der Körper ist ein wichtiges Instrument. Auch die Psyche spielt bei der Stimme eine große Rolle. Damit man Topleistungen bringen kann, muss alles zusammenpassen.
Mit Franz Farnberger, dem künstlerischen Leiter der St. Florianer Sängerknaben, sind Sie stimmlich groß geworden. Wie war für Sie der Wechsel von St. Florian an die Musikuniversität in Wien?
Mühlbacher: Franz Farnberger hat bei uns Sängerknaben immer das Positive betont. Er ist für mich wie ein väterlicher Freund und mittlerweile wie ein Familienmitglied.
Wenn man dann an eine Universität kommt oder bei Wettbewerben singt, wird meist nur kritisiert. Da muss man dann schon sehr am Selbstwert arbeiten, dass man damit umzugehen lernt. Man wird ständig beurteilt, es ist ein ständiges Kräftemessen.
Man sagt ja auch: Die Luft wird nach oben sehr dünn. Wie erleben Sie das?
Mühlbacher: Es gibt Erwartungshaltungen, die man erfüllen will. Man will natürlich das Beste geben, wenn man mit den Besten spielt. Ich habe auch schon auf vielen internationalen Bühnen gesungen und bin mit Weltstars unterwegs gewesen. Da dreht sich alles nur noch darum! Das Streben nach Perfektion dominiert, da ist es wichtig, dass man den Fokus nicht verliert. Man kann dann leicht vergessen, warum man das macht: aus Liebe zur Musik!
Das neue Ensemble Pallidor ist ein Herzensprojekt von Franz Farnberger und Ihnen. Was war der Auslöser dafür?
Mühlbacher: Franz Farnberger und ich arbeiten sehr viel zusammen. Und das seit Jahren! Er ist immer meine letzte Instanz, ich singe ihm alles vor. Er ist ein sehr guter Pianist und es ist ein wahnsinniges Glück, dass ich ihn habe. Wir schätzen es sehr, gemeinsam zu musizieren und haben auch den gleichen Geschmack.
Wir haben bereits ein Barockwerk „Nisi Dominus“ von Antonio Vivaldi umgesetzt und auf CD eingespielt, das wurde von der Fachwelt sehr geschätzt. Im Zuge dessen enstand die Idee, ein eigenes Ensemble zu gründen, mit dem wir von uns ausgewählte Werke spielen können. Wir möchten national und international konzertieren und verstehen uns als Barockensemble mit oberösterreichischen Wurzeln.
Was steht auf dem Programm beim Gründungskonzert am 10. November in Linz?
Mühlbacher: Wir werden eine der schönsten Altsolo-Kantaten von Johann Sebastian Bach, „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“ interpretieren. Hier ist eine obligate Orgel vorgeschrieben. Für Barockmusik mit Originalinstrumenten braucht man eine tiefer gestimmte Orgel. In der Linzer Minoritenkirche ist die Wegscheider-Orgel auf 415 gestimmt, deshalb wird das Gründungskonzert dort stattfinden.
Johann Sebastian Bach habe ich mit 16, 17 Jahren zu schätzen gelernt. Er ist für mich das Allerheiligste.
Erklingen wird auch das virtuose Werk „Nisi Dominus“ von Vivaldi. Hier kann der Sänger von brausenden Koloraturen bis hin zu langen Legato-Bögen die ganze Bandbreite seiner Simme zeigen.
10. November, 19.30 Uhr, Minoritenkirche Linz, Infos und Karten unter www.pallidor.at, Mail: office@pallidor.at
Alois Mühlbacher zählt zu den gefragtesten Countertenören des Landes. Kommendes Jahr debütiert Mühlbacher an der Mailänder Scala unter dem Dirigat von Marc Minkowski. Seine letzte CD-Einspielung Urlicht mit Franz Farnberger am Klavier wurde mehrfach für den Musikpreis OPUS KLASSIK 2023 nominiert. Das Gründungskonzert des Ensembles Pallidor mit Konzertmeisterin Nina Pohn findet am 10. November um 19.30 Uhr in der Linzer Minoritenkirche statt. Pallidor ist übrigens das Synonym für den Dichter Georg Christian Lehms, der viele Texte von Bachkantanten verfasste.
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